Seitenwechsel zum Neujahrsfest: Die Sehnsucht der Chinesen und ein Krisenstab im Staatsrat

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China Tours Geschäftsführer Liu Guosheng wandelt zwischen Ost und West, zwischen seinem Geburtsland China und seiner zweiten Heimat Hamburg. In seinen Seitenwechseln berichtet er in regelmäßigen Abständen über augenscheinliche Unterscheide und findet immer wieder auch Gemeinsamkeiten.  Dieses Mal erzählt er vom Chunyun, der „größten, periodisch wiederkehrenden Völkerwanderung der Welt“ zum chinesischen Neujahrsfest.

Das chinesische Neujahrsfest steht vor der Tür. Das alljährliche Chaos und den Superstress von beinahe 1,4 Milliarden Menschen sehe ich schon jetzt vor meinem geistigen Auge. Bei dem Gedanken wird mir schwindelig. Die Hektik dieser Tage hat ihre Ursache in der Vergangenheit.

Seit dem Reformbeginn vor 30 Jahren verlassen immer mehr Menschen in China ihre Heimat, die sie über Jahrtausende nicht verlassen konnten. Nun suchen sie Jobs in den Großstädten, besuchen Schulen und Universitäten Tausende Kilometer von Zuhause entfernt und gehen sogar auf Lustreisen. Im Jahr 2010 arbeiten über 200 Mio. Menschen „kurzfristig“ in einer fremden Stadt – die sogenannten Wanderarbeiter.

Liu Guosheng Liu Guosheng

Wie aber verhalten sich die Menschen am Neujahrsfest, das traditionell mit der Familie gefeiert wird? Richtig. Wir fahren nach Hause. Und zwar alle gleichzeitig. Auch wenn die Traditionen im Alltag vieler Chinesen von der Moderne mehr und mehr verdrängt werden – besonders zu den Feierlichkeiten besinnen sich die Menschen ihrer Herkunft, der Gedanke an die Familie ist noch immer tief im Bewusstsein verwurzelt. Zum Neujahr nach Hause zu kommen, mit Kindern, Eltern und Geschwistern (wenn vorhanden) und Verwandten zusammen zu sein – dazu gibt es keine Alternative.

Vor mir sehe ich schon die unfassbar überfüllten Bahnhöfe von Kanton, Xi’an oder Peking, die unendlich langen Staus auf den Autobahnen und die gesprungenen Fensterscheiben überfüllter Busse. Seit vielen Jahren gibt es für dieses massive Verkehrsproblem sogar einen Krisenstab, eingerichtet im Staatsrat. Darin sitzt der Premierminister mit hochrangigen Verantwortlichen des Verkehrs- und Luftfahrtministeriums. Ihre Aufgabe ist es, das Verkehrschaos, verursacht durch das Chunyun, die größte, periodisch wiederkehrende Völkerwanderung der Welt, zu regulieren. Dieses Krisenbüro ist mächtig – und gleichzeitig ohnmächtig: Aktuellen Prognosen zufolge werden dieses Jahr 283 Mio. Menschen allein in den Tagen rund um das Neujahrsfest am 3. Februar unterwegs sein. Wieder werden viele Sonderzüge, -busse und –flüge eingesetzt. Ob die Lage sich dadurch entspannt bleibt wie immer fraglich, selbst der Krisenstab kann ab einem gewissen Zeitpunkt nur noch auf das Beste hoffen.

Wer ist verantwortlich für diese Entwicklung? Die alten Traditionen oder die neue Bewegungsfreiheit der Moderne?

Die Frage nach Verantwortung oder Schuld lässt sich im Grunde nicht beantworten. China hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant verändert, in ihren Familien suchen und finden die Menschen Halt und Geborgenheit. Man kann niemandem einen Vorwurf daraus machen, den Jahreswechsel im Kreise der Liebsten verbringen zu wollen.
Zum Beispiel die China Tours Mitarbeiter in unserem Büro in Guilin: Wang Huan kommt aus der Provinz Hunan, ca. 600 km entfernt, Tong Sisi aus Chongqing, einer Großstadt ca. 1300 km weit weg. Den weitesten Heimweg hat Liu Xin: Sie kommt aus in Harbin in der Provinz Heilongjiang im hohen Norden Chinas. Von Guilin muss sie über 3500 km Fahrstrecke zurücklegen. Lange vor den Feierlichkeiten muss sie sich überlegen, wie und mit welchen Verkehrsmitteln sie die Distanz überwindet.

Seit ein paar Jahren denkbar ist auch die umgekehrte Richtung: Plötzlich verfügen auch ihre Eltern über soviel Flexibilität, nicht zuletzt verursacht durch die Ein-Kind-Politik, dass sie erwägen, ihre Tochter in Guilin zu besuchen. Dies sind Fragen, die sich in diesen Tagen halb China stellt. So oder so wird es auf ein Verkehrschaos hinauslaufen.
Aber das kennen wir ja aus Deutschland. Nur schön, dass wir die stressigen Feiertage bereits hinter uns haben und uns entspannt unserem Alltag widmen können. Für mich besonders schön, denn so kann ich in aller Ruhe mit meiner Familie das Neujahrsfest feiern. Kaum Aufregung, keine langen Schlangen im Supermarkt und nur der alltägliche Wahnsinn auf deutschen Straßen. Zusammen mit meinen Liebsten werde gemütlich auf das Jahr des Hasen anstoßen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein glückliches, friedliches und gesundes Jahr des Hasen!

PS: Wenn Sie mehr über die Bedeutung des Hasen im chinesischen Kalender erfahren möchten, sind Sie gerne eingeladen zur China Tours Neujahrsveranstaltung ‚Im Schein des Lampion’ im Hamburger Yu-Yuan Garten zu kommen. Dort erzähle ich Ihnen alles Wissenswerte zum Neujahrsfest und den Bedeutungen der Tierkreiszeichen. Nähere Infos zu dieser Veranstaltung finden Sie hier

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