Roadtrip durch die Provinz

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Vor etwa einem Jahr, an einem Küchentisch in Wien, kam Florian Stambula die Idee, China mit dem Auto zu bereisen. Mit einem kleinen Bus, indem man schlafen könnte, für ein paar Monate durch die Provinz. Ein Jahr später ist daraus ein etwas kürzerer, dafür aber ein spannender Roadtrip im schnittigen Chevrolet geworden. Im China Tours Magazin erzählt er von seinen Erlebnissen.

Florian Stambula, 24 Jahre, studiert seit 2007 Sinologie und Politikwissenschaften in Wien. Seit August lebt er in Lanzhou in der Provinz Gansu, weit ab der großen Küstenmetropolen möchte er eine andere Seite Chinas kennenlernen. Florian Stambula, 24 Jahre, studiert seit 2007 Sinologie und Politikwissenschaften in Wien. Seit August lebt er in Lanzhou in der Provinz Gansu, weit ab der großen Küstenmetropolen möchte er eine andere Seite Chinas kennenlernen.

Mein Studienkollege Fabian hatte im vergangenen Jahr in Hangzhou studiert, nebenher einen chinesischen Führerschein erlangt. Anfang August brechen wir auf. Unsere einzige Mission besteht daran, uns von Küstenstädten und Touristenmassen fernzuhalten. Ich selbst möchte eine Idee davon bekommen, wo die Wirtschaftsmacht aufhört und das Entwicklungsland anfängt. Das passiert schneller als ich dachte. Nur wenige Stunden außerhalb von Hangzhou hat sich das Bild bereits stark verändert. Hochhäuser, Glasfassaden und Reklametafeln haben sich mit kleinen Dörfern ausgetauscht. Ich meine eher in Indien zu sein, als nur 100 km von den chinesischen Wirtschaftsmetropolen entfernt. Wir meiden die Autobahn und folgen schmalen Straßen in die Berge. Reisfelder schmiegen sich an die Hänge. Wir kehren ein, und die Wirtin erzählt uns, dass auf dem Land nur noch alte und ganz junge Menschen wohnen. Ihr Sohn, 23, ist schon vor Jahren nach Hangzhou gezogen. Als Taxifahrer kann er jeden Monat Geld nach Hause schicken.

In Tongshan, im Westen der Provinz Zhejiang finden wir ein Hostel, das sich auf Wochenend-Urlauber aus der Stadt eingerichtet hat. Hierher kommt die chinesische Mittelschicht, die gerne einmal etwas Abenteuer und Abwechslung genießt. Es gibt keine Wanderwege, nur einige gepflasterte Pfade zu Aussichtspunkten. Mehr braucht es zum Abenteuer auch nicht, es reicht schon, wenn es keinen Supermarkt in der Nähe gibt. Die Gäste der Pension raten uns vom Wandern ab. Das Wetter könne hier doch recht ungemütlich werden, eventuell sogar regnen und nass werden wollen wir doch wirklich nicht.

Fabian und ich beschließen entgegen allen Warnungen Wandern zu gehen. Schließlich sind wir ja nicht aus Zucker. Ich muss lachen, wenn ich daran denke, dass unsere chinesischen Abenteurer nach dem Wochenende ihren Freunden von der Wildnis vorschwärmen werden. Mit Zelt und Gaskocher ausgerüstet steigen wir auf. An vereinzelten Häusern und Feldern vorbei, bis sich kein richtiger Weg mehr finden lässt. Einer ausgetrockneten Rinne folgen wir, die an einigen Stellen so steil ist, dass aus unserer Wanderung eine Kletterpartie geworden ist. Kurz vor dem Gipfel wird der Wald so dicht, dass es kein Weiterkommen mehr gibt. Dornen und Sträucher haben uns zerkratzt, in den Haaren kleben Spinnweben. Nach langem Suchen finden wir einen Kuhpfad und stehen plötzlich vor der Ruine eines Steinhauses. Es muss schon lange her sein, seitdem hier Menschen gewohnt haben. Die Terrassenfelder sind längst überwuchert und der Wald hat sich seinen Platz zurückerobert. Hier bleiben wir über Nacht, schlagen unser Zelt auf und kochen unser Abendessen. In der Nacht will keine Ruhe im Wald einkehren, Heerscharen von Zikaden geben sich ein lautstarkes Stelldichein.

Nach dem Frühstück machen wir uns auf die Suche nach einem Weg. Wieder müssen wir mühsam durchs Dickicht kriechen und finden ein weiteres Mal ein ausgetrocknetes Bachbett, dem wir ins Tal folgen. Am Rand der höchstgelegenen Felder rasten wir, als uns zwei Holzsammler begegnen. Als würden hier täglich ganze Wandergruppen vorbei kommen, erkundigen sie sich nur ob wir gerade auf- oder absteigen. Wir begleiten sie ins Tal hinunter, ihr Feuerholz, das sie uns gerne verkauft hätten, können wir aber nicht gebrauchen. Wir baden im warmen Fluss und sitzen erfrischt im Auto auf den Weg Richtung Süden.

Ein paar Tage mäandern wir durch die Provinzen Anhui, Zhejiang und Fujian. In Dörfern und kleinen Städten finden abends immer reichlich Gesprächspartner die uns von der Veränderung in China erzählen. Vom rasanten Wirtschaftswachstum, vom wachsenden Wohlstand, von neuen Möglichkeiten. Aber auch von rapide ansteigenden Grundstückspreisen und zunehmender Umweltbelastung. Als wir es uns abends in einem kleinen Hotel im Norden Fujians gemütlich gemacht haben, klopft es an die Tür. Die beiden Herren von der Polizei erklären uns, dass wir in die nächste Stadt weiterfahren müssen. Da sie keinen Computer für die Registrierung haben, können wir nicht bleiben. Etwas verdutzt fragen wir, ob denn nicht öfter Touristen vorbeikommen. Sie schütteln nur den Kopf, wir wären die ersten Ausländer, die hier übernachten wollen.

Wir erreichen die Küste. Der Verkehr nimmt zu, Smog und Dunst lassen alles verschwimmen. Die Küstenregion zwischen Shanghai und Hongkong verschmilzt zu einem industriellen Streifen, überall entstehen neue, riesige Wohnanlagen und die Städte wachsen zusammen. Zum Übernachten biegen wir noch einmal Richtung Westen ab und finden eine kleine Pension. Man lädt uns zu einer Nachtwanderung ein, wobei Fabian und ich uns das sehr idyllisch vorstellen. Das ändert sich als wir auf einem voll geparkten Busparkplatz aussteigen und sich eine Kulisse aus Geschäften und Souvenirläden präsentiert, die an Disneyland erinnert.

Breite Pfade führen durch den Wald. Einst hatten hier daoistische Mönche eine Einsiedelei, heute strömen hier Tag und Nacht chinesische Reisegruppen durch die Berge. Nachts setzen sich die Konturen der Berge gegen den schwarzen Nachthimmel ab und je nach Standort zeigen die Berge unterschiedliche Figuren. Der Reihe nach betrachtet, ergibt sich eine Liebesgeschichte in vielen Akten. Unsere Vermieterin erklärt uns alles im Detail, während Gruppen mit Megaphonen und Taschenlampen bewaffnet das „idyllische“ Bild abrunden.

Nach 11 Tagen kehren wir nach Hangzhou zurück. Mit dem Auto in China unterwegs zu sein, ist immer noch ein Abenteuer. Lässt man die Gefahren des Straßenverkehrs einmal beiseite bieten sich Möglichkeiten Regionen zu sehen, die abseits der begangenen Pfade liegen. Ein chinesischer Führerschein vorausgesetzt, ist es günstig Autos zu mieten. Für eine Erkundungstour ins Hinterland ideal.

Im Kopf bleiben viele Bilder von einem China, von dem in westlichen Medien nur selten die Rede ist. Nicht weit von den Wirtschafts- und Finanzmetropolen entfernt, versuchen einfache Bauern ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Das Leben ist hier beschaulich und ruhig, auch wenn man an den neuen Straßen und Autobahnen erkennt, dass für die Zukunft gerüstet wird.

(Florian Stambula, August 2010)

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