Ein Streifzug durch Chinas Straßen. Eindrücke drängen sich von überall her ins Bewusstsein des Wanderers, den Augen und Ohren werden immer neue Reize geboten: Hupende Autos, verstohlenes Gewisper, das die neueste gefälschte Ware anpreist, bunte Leuchtreklame. Doch verblassen all diese neben den olfaktorischen Signaturen der Wege und Gässchen. Ein Geruch jagt den nächsten, bei weitem nicht alle sind angenehm, aber viele versprechen mehr.
Frei nach dem Motto „Immer der Nase nach“ kann ein jeder in China auf ganz besondere Entdeckungsreisen gehen. Hierbei muss vielleicht die eine oder andere Mauer aus sinnesbetäubendem Gestank überwunden werden, doch am Ende der Reise winkt dem Umgetriebenen meist ein kleiner, kulinarischer Schatz – und wo wäre das Abenteuer, wenn auf der Suche nach genau diesem nicht auch das ein oder andere übel riechende Hindernis überwunden werden müsste?
Für mich ist China, neben vielem Anderen, das Land des Essens. Ein Restaurant reiht sich an das nächste, Stände mit kleinen Snacks lassen sich an sämtlichen Straßenecken finden. Die Lokalitäten sind so vielfältig wie die chinesische Küche selbst, das gilt auch für ihre Einrichtung: Natürlich gibt es zahlreiche Etablissements mit viel Pomp und Schick. Meine Erfahrung besagt aber, dass es das beste Essen immer noch dort gibt, wo die einfachen Leute von der Strasse hinströmen.
Sollten Sie einmal einer Gruppe chinesischer Passanten folgen, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass Sie sich irgendwann in einem kleinen, heruntergekommenen Restaurant wieder finden. Die Wände fleckig, manchmal etwas schimmlig, der Boden an manchen Stellen klebrig. Der Türrahmen zur Küche ist mit einem Schmierfilm aus Fett bedeckt. Einheimische sitzen an Tischen, trinken, rauchen und essen – meist alles gleichzeitig. Es ist laut und verqualmt. In Deutschland würden wohl viele vor einer solchen Kaschemme zurückschrecken, Beamte von der Gesundheitsbehörde gleich schlichtweg der Schlag treffen.
Doch kommt erst einmal das Essen, beginnen sie langsam einzusinken – die gute Stimmung, die sich hinter dem Lärm versteckt, die seltsame Fröhlichkeit der Besucher. Unter dem Rauch lässt sich ein köstlicher Geruch wahrnehmen – ganz leicht erst, aber dann immer stärker werdend. Er kommt von den Tellern vor uns. Einmal probiert ist das Essen köstlich, das Gefühl im Bauch gleicht dem beim Öffnen einer Schatztruhe und man selbst wird auch ein Teil der kulinarisch erfreuten Atmosphäre.
Lassen Sie sich in China nicht vom Äußeren eines Lokals abschrecken, denn dann entginge Ihnen ein großer, köstlicher Teil des Landes. Denn meist lautet die Faustregel: In den hässlichsten Restaurants gibt es die beste Küche. Vielleicht, weil das Essen so gut ist, dass nicht mehr mit Äußerlichkeiten geglänzt werden muss – wer weiß.
Ich kann also jedem raten: Schalten Sie ihre Augen und Ohren aus und folgen Sie den köstlichen Gerüchen, die aus der ein oder anderen Tür kommen. Beurteilen Sie nicht die Einrichtung des Lokals sondern probieren Sie die Speisen. Sie werden überrascht sein!