Hier wird verhandelt. Wer nicht so viel zu bieten hat, muss sein Angebot durch kleine Zugaben attraktiver machen. Taktisches Geschick ist gefragt und natürlich eine gewisse Lautstärke, um sich durchsetzen zu können. So ist das, wenn man in China Geschäfte macht. So wird in Pudong auf der Handelsmesse der neue Passat angepriesen, auf dem Gemüsemarkt die besonders reife Ananas verscherbelt und nicht anders im Volkspark die Tochter unter die Haube gebracht. Shanghais Heiratsmarkt ist „Laut und Heiß“. So lieben es die Chinesen.
Der Besuch einer Universität und eine angemessene Hochzeit - Das sind die zwei Dinge, die sich alle Eltern in China für ihr Kind wünschen. Jedes Wochenende werden im Schatten der Bäume die Anzeigen aufgehängt. Bis zu 2000 Eltern suchen hier den geeigneten Partner für ihr einziges Kind. Am besten ein gebürtiger Shanghaier, der im Ausland studiert hat. Äußerliche Defizite, z.B. eine kleine Körpergröße, sind kein Drama. Wenn der potenzielle Schwiegersohn ein Auto mit in die Ehe bringt, sieht man gerne über seine Eselsohren hinweg. Wer eine Wohnung besitzt, hat die besten Chancen. Die Wohnung, darum dreht sich alles. Denn ohne Wohnung keine Hochzeit. Mieten ist keine Option. Jeder kauft. Der Immobilienmarkt in Shanghai ist heiß. Der Wert der Wohnung steigt mit jedem Jahr. Eine lohnende Investition, selbst wenn man bedenkt, dass die Bauweise in Shanghai den Häusern eine durchschnittliche Lebensdauer von gerademal 30 Jahren ermöglicht.
Die Anzeigen, die in den Bäumen hängen, auf dem Boden liegen und an Ständern kleben beschränken sich auf das wesentliche: Alter, Größe, Herkunft, Ausbildung, Besitztümer, Einkommen und eine Handynummer zur Kontaktaufnahme. Wer Interesse hat, der ruft an und kurz darauf werden sich die Eltern der potenziellen Ehepartner treffen und erste Sondierungsgespräche führen.
Chinesen sind geschäftstüchtig. Vielleicht ist es ja ein Nachholbedarf nach all den kommunistischen Jahren unter Mao. Wer seinen Sohn oder seine Tochter schon verheiratet hat, möchte trotzdem weiter mitmachen bei der wöchentlichen Gattenfeilscherei. Immer mehr professionelle Kuppler mischen sich unter die Menge. Sie werden von den Behörden mit Unwillen beobachtet, denn für ihre Gefälligkeitsdienste bekommen sie von den Eltern eine Aufwandsentschädigung. Schwarzarbeit könnte man auch sagen. Für 100 RMB stellt der Kuppler der Familie so viele Schwiegertöchter vor, bis die richtige dabei ist. Für einen Schwiegersohn verlangt er mehr. Auf dem Heiratsmarkt herrscht Frauenüberschuss.
Keine Frage, die Romantik wird auf später verschoben. Und die jungen Chinesen, um die es eigentlich geht, halten sich fern vom Heiratsmarkt. Nur ein paar hundert Meter entfernt sitzt ein Pärchen auf einer Bank am See. Händchen haltend, eng umschlungen betrachten sie die Fische im Wasser. Vielleicht suchen auch ihre Eltern gerade ledige Chinesen mit Auslandsstudium und Wohnung.