Chinesische Lehrer, die ihre Handynummer vergeben, kuriose Ausleihfristen in der Bibliothek und Kochtipps in den Pausen zwischen dem Sprachunterricht. Mehr zu den Unterschieden an chinesischen Universitäten finden Sie in der Kolumne „Post aus China“ von Ceyhun Yakup Özkardes.
Während Registrierung bei der Polizei in der Stadt Xiamen machte mich die Beamtin etwas ungeduldig darauf aufmerksam, dass noch nötige Unterlagen zur Anmeldung fehlen würden. Auf die Frage welche Dokumente genau fehlen, entgegnete sie nur schnippisch: „Frag deinen Lehrer. Er wird dir helfen.“ Das verdutzte mich ein wenig, wenn ich auch feststellte, dass meine Unterlagen tatsächlich unvollständig waren, so fragte ich mich wieso ausgerechnet mein Lehrer mir dabei helfen sollte. Doch die Beamtin sollte Recht behalten, meine Lehrerin griff mir hilfsbereit unter die Arme und das nicht nur bei dieser Angelegenheit. Bei der Erstellung meiner Bibliothekskarte füllte sie den kompletten Antrag für mich aus und erklärte mir genau, was ich noch abgeben muss. Mein Zögern gegenüber der Beamtin kam von meiner Sichtweise auf Lehrer in Deutschland, die mit der chinesischen Perspektive konfrontiert wurde. Es gibt offensichtlich doch einige Unterschiede zwischen dem Studentenleben in China und in Deutschland, und diese sollen hier einmal genauer betrachtet werden.
Interessant fand ich schon die erste Unterrichtsstunde, in der die Lehrer ihre Handynummer an die Schüler weitergaben – bei Fragen sollen wir sie kontaktieren. Ich musste bei dem Gedanken einen meiner Dozenten in Deutschland um die private Handynummer zu bitten direkt etwas schmunzeln. Doch Lehrer in China ist nicht gleich Lehrer in Deutschland. Das Wort Laoshi 老师 (Lehrer) ist in China viel gewichtiger als bei uns in Deutschland. Durch die konfuzianische Erziehung besitzen Lehrer etwas Respekteinflößendes. Die Silbe lao 老 bedeutet alt oder auch erfahren, die Silbe shi 市 steht für Vorbild. Respekt dem Älteren und gutes Benehmen gegenüber Menschen mit mehr Erfahrung, das sind die Grundprinzipien im Gedankenkonstrukt von Konfuzius.
Ein weiterer relevanter Untschied ist die Abtrennung von Chinesen und Ausländern. Obwohl alle im selben Gebäude unterrichtet werden, gibt es eine klare Trennung. In meiner Klasse befinden sich Koreaner, Italiener, Japaner und sogar ein Iraker, aber kein Chinese. Natürlich macht es keinen Sinn, dass ein Chinese am Chinesisch Sprachkurs teilnimmt, aber seltsam erscheint es mir, das auch der Bereich in dem die Chinesen unterrichtet werden, für uns nicht zugänglich ist. Auch das Wohnen im Campus unterscheidet sich von Deutschland, denn es gibt ein Wohnheim nur für Chinesen und eins nur für Ausländer.
Der Sprachunterricht gestaltet sich ähnlich wie in Deutschland zunächst sehr frontal, aber mit vielen Variationen. So benutzen viele Lehrer eine Power Point Präsentation und ergänzen ihren Unterricht damit sehr gut. Grammatikstrukturen üben wir mit der Präsentation ein, Lückentexte bearbeiten wir ebenfalls mithilfe des Projektors. In den Pausen zeigen die Lehrer kurze Filme über unterschiedliche Kochstile und Speisen in anderen Provinzen, was nicht unbedingt immer sehr förderlich für die Konzentration im Unterricht ist. Verschiedene Spiele sorgen für zusätzliche Dynamik im Klassenzimmer. Unterschiedliche Nationen besitzen unterschiedliche Ansichten, und die versuchen wir herauszufinden. Wie streng müssen Kinder erzogen werden, das war eine Frage die jede Nationalität anders beantwortet hat. Diese Unterschiede sollten wir anhand von kurzen Interviews herausfinden – alles natürlich auf Chinesisch. Doch das eigentliche freie Sprechen wurde bisher, zumindest meiner Meinung nach, etwas vernachlässigt.
Aufgrund der Hitze in Xiamen ist natürlich eine Klimaanlage notwendig und auch vorhanden. In jedem Zimmer befinden sich drei Klimaanlagen und dazu noch einige Ventilatoren, die die Hitze unter den mehr als 20 Schülern senken sollen. Ventilatoren in den Klassenzimmern wäre im Sommer auch in Deutschland angebracht, fiel mir dann beim Anblick der Anlage in Xiamen noch ein.
Neben dem eigentlichen Unterricht war ich auf die Bibliothek sehr neugierig, und lies mir daher einen Bibliotheksausweis erstellen. Dort fiel mir sofort auf, wie modern und gleichzeitig veraltet die Anlage ist. Die Bücherbestände sind zum Teil sehr alt, die Regale knarzen schon sehr laut und ich konnte Bücher lediglich für drei Tage ausleihen. Gleichzeitig gibt es aber ein modernes Leihsystem und Geräte, an denen ich auch außerhalb der Öffnungszeiten Bücher ausleihen kann - vorausgesetzt ich besitze die Studentenkarte. Ähnlich wie an einem Automaten habe Studenten die Möglichkeit, Büchermit großer Nachfrage auszuleihen. Auf Knopfdruck bekommt man das Buch, für das man sich interessiert – ganz unabhängig der Öffnungszeiten der Bibliothek. Drucker und Scangeräte sind besser ausgestattet als an meiner Universität in Trier und frei verfügbar. An technischer Ausstattung mangelt es also nicht.
Die Universitätsanlage ist eine kleine Welt für sich. Studenten die auf dem Campus wohnen finden alles was man für das tägliche Leben benötigt vor Ort. Einkaufsmöglichkeiten, die den Grundbedarf decken sowie Restaurants und Cafes, es gibt viele Möglichkeiten seinen Alltag zu gestalten. Wer sich sportlich betätigen möchte findet auch dafür die passende Möglichkeit. Es gibt viele Basketballfelder, die gut besetzt sind, einen großen Fußballplatz und sogar einen Golfplatz. In den frühen Morgenstunden gibt es mehrere Gruppen, die zusammen Taiqi praktizieren und an die sich jeder einfach anschließen kann.
Speziell in Xiamen bildet die Popularität der Universität einen großen Kontrast zu Universitäten in Deutschland. Durch nationale Unterstützung mit Finanzierungsprogrammen, gehört die Universität in Xiamen zu den erfolgreichsten 20 Hochschulen im Land. Aufgrund der hohen Zahl an Universitäten in China, mehr als 2000, ist das eine beachtliche Leistung und erklärt auch die Beliebtheit der Küstenstadt. Im Sprachunterricht hört man gelegentlich auch den Stolz in der Stimme der Lehrer, wenn das Thema auf die Rankings zwischen den unteschiedlichen chinesischen Hochschulen kommt.
Trotz der vielen kulturellen Unterschiede bedingt durch die Internationalität der Studenten an der Universität, gibt es natürlich auch Überschneidungen. Die Kunst, Hausaufgaben geschickt aufzuschieben, zusammen etwas zu unternehmen oder gemeinsam eine kleine Reise zu gestalten gehören zu den Gemeinsamkeiten im Studentenalltag. Viele Studenten organisieren sich, sodass es zahlreiche Treffen gibt, um die eigenen Sprachkentnisse zu verbessern - dabei sind Sprachpartnern besonders beliebt. Auch wenn es viele Gegensätze zwischen den beiden Kulturräumen gibt, ist es wichtig die Gemeinsamkeiten zu entdecken, diese mit anderen zu teilen und sie als Grundlage für Freundschaften und Beziehungen zu nutzen.