Mit dem Fahrrad mitten im Großstadtverkehr Shanghais – China Tours Mitarbeiterin Ulrike Löhrl hat sich dieses Abenteuer zugetraut. Was sie dabei erlebt hat und wie ihre Reise weiterhin verlief, berichtet sie hier für uns.
Shanghai ist eine aufregende Stadt voller Gegensätze - Alt und Neu, supermoderne Hotels und billige Absteigen, gigantische Wolkenkratzer und kleine Häuschen, übereinander gestapelte Hochstraßen und kleine Gässchen, Transrapid und Superschnellzug, Fahrrad, grüner Tee und Starbucks.
Auf den Spuren deutscher Geschichte, auf denen ich heute gewandelt bin, trifft man auf Handelshäuser wie z.B. Melchers. Die sind schon seit dem 19. Jahrhundert in Shanghai und ihr ehemaliges Kontorhaus liegt in einer Seitenstraße der Einkaufsstraße Nanjing Lu, an Orten eben, an denen früher der Deutsche Club Concordia stand, das ehemalige Deutsche Eck um das traditionsreiche Astor House Hotel. Im Stadtteil Hongkou liegt das frühere jüdische Ghetto, in denen in dunkler Zeit aus Deutschland geflohene jüdische Familien Zuflucht fanden. Hongkou ist ein Viertel der kleinen Leute mit kleinen Wohnungen, in denen damals jüdische Flüchtlinge Tür an Tür mit chinesischen Nachbarn lebten, und in denen jetzt Chinesen in derselben Enge leben. Die ehemalige Synagoge ist heute zu einem Museum ausgebaut. Einzelschicksale von aus Deutschland vertriebenen Juden, deren Kinder in dem Viertel unter ärmlichsten Bedingungen aufgewachsen sind. Um die Ecke der Synagoge liegt die Zhoushan Lu, hier sind die letzten noch erhaltenen Häuser aus der Zeit. Eng, klein und dunkel, aber mit funktionierender Nachbarschaft. Dieses Viertel wird bedrängt von den näher rückenden Hochhäusern. Viele Straßen mit den alten Häusern sind schon verschwunden. Kleine Imbissstuben mit Baozi aus dem Dämpfkorb, kleine Geschäfte mit dem täglichen Bedarf für die Bewohner - wie lange wird das noch überleben?
Im kleinen Huoshan-Park ist ein Gedenkstein aufgestellt und erinnert an die Geschichte der Shanghaier Juden. Vogelkäfige sind rundum in den Bäumen aufgehängt, die Vögel zwitschern, was das Zeug hält, alte Leute aus der Nachbarschaft nutzen die Tartanbahn rund um den Park für ihren Abendsport. Kleine Kinder spielen, jagen Seifenblasen, sitzen an den Steintischen und malen, kleine Grüppchen von Nachbarn sitzen zusammen und plaudern. Ein friedliches Bild im Nachmittagssonnenschein. Die Ausländer, die seit einiger Zeit durch ihr Viertel laufen, werden mit milder Neugier wahrgenommen, dann wendet man sich den wichtigeren Dingen zu.
Heute gab es dicken Smog. Die Feinstaubbelastung lag bei einem Wert von 220, die ganze Stadt war in Dunst gehüllt und die Sonne hat es nicht durch diese Schicht hindurch geschafft. Ab 17:00 Uhr wurde es erheblich kühler als in den letzten Tagen, eine Vorbereitung auf die kalten Tage in Deutschland?
Morgens bin ich mit dem Transrapid zum Flughafen Pudong gefahren, um die Reiseteilnehmer zu verabschieden. Die Strecke von 31 km haben wir in 10 Minuten zurückgelegt, die Begegnung mit dem Gegenzug ist eine Sache von 3 Sekunden - sehr beeindruckend. Der G-Zug (Superschnellzug) aus chinesischer Produktion hatte uns schon von Hangzhou nach Shanghai gebracht, 300 km in 70 Minuten mit Stopps an Bahnhöfen unterwegs - auf dem Weg vom Bahnhof in Hongqiao in die Stadt stand der Bus im Stopp-and-go-Verkehr und es ging nur sehr langsam voran.
Auf den Fahrrädern entdeckten wir die Langsamkeit wieder - allerdings hat unser Shanghaier Begleiter vorher scheinbar eine schlaflose Nacht verbracht, weil er sich wohl sehr viele Gedanken die Gefahren des Großstadtverkehrs gemacht hat. Glücklicherweise war Sonnabend nicht so viel los, alle sind unbeschadet wieder am Hotel angekommen und fanden es großartig. Im Volkspark versuchten Eltern ihre unverheirateten Kinder an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Auf DIN-A 4 Blättern stehen die wichtigsten Angaben wie Alter, Größe, Branche und Einkommen. Eine Mutter kam gleich mit ihrer braven Tochter im Schlepptau, damit die Anbieterseite einen Eindruck bekommen konnte. Ich habe mir sagen lassen, dass die Kinder zu den getroffenen Verabredungen gehen, eine Tasse Kaffee trinken und sich dann wieder verabschieden.
Die französische Konzession bot Platanen-bestandene Straßen, Geschäfte mit Luxusmarken und kleine baufällige Häuser sowie schöne Bauten aus der Kolonialzeit. Ich sitze mal wieder in der Hotellobby, weil es nur hier W-LAN gibt. Nachdem die deutsche Studentengruppe mit 50 Personen und ihren elektrischen Spielzeugen unter großem Getöse abgereist ist, ist das W-LAN auch wieder für alle verfügbar. Am Nebentisch sitzen zwei israelische Frauen und unterhalten sich über Skype auf ihrem Handy lauthals mit ihren Lieben zu Hause. Einige Chinesen rauchen und diskutieren in der Hotelbar, der Kellner weiß, dass er heute keine großen Geschäfte machen wird und langweilt sich, und eine Gruppe von frisch eingetroffenen Touristen steht etwas orientierungslos herum und wartet darauf, dass sie von ihrem Reiseleiter die Zimmerkarten erhalten.
Nachdem ich nun "gruppenlos" bin, ist heute frühe Bettruhe in meinem Zimmer im 18. Stock mit Ausblick auf den Shanghaier Bahnhof und der entsprechenden Geräuschkulisse angesagt. Morgen besuche ich noch zwei Hotels und lasse mich von 5-Sterne-Zimmern mit Badewannen vor den Fenstern mit Aussicht beeindrucken.
Viele Grüße
Ulrike