Chinatours Reise-Blog

Tischgespräch: Vom deutschen Studenten zum Bäcker in Xiamen

Geschrieben von China Tours | Nov 7, 2012 11:25:03 AM

Bohrmaschinenlärm, chinesische Läden und dazwischen ein kleines deutsches Geschäft. Friedrich Hartmann, von den Chinesen einfach nur Fritz genannt, verkauft in Xiamen selbstgemachtes Brot. Sein eigenes Geschäft, „Bakedin China“, bietet von Vollkornbrot bis Weißbrot, sogar Brotaufstriche wie das Original "Nutella", für jeden Brotliebhaber etwas an. Im Tischgespräch mit Live Reporter Ceyhun-Yakup Özkardes erzählt Fritz wie die Idee zu diesem Geschäft entstanden ist.

Yakup: Hallo Fritz! Erzähl uns doch bitte was hast du vor deiner Karriere als Bäcker in China gemacht ?

Fritz: Ich habe Wirtschaft und Chinesisch an der Fachhochschule in Zwickau studiert, war aber mit dem Studiengang und dem Kleinstadtfeeling nicht wirklich zufrieden. Wir hatten nur einen chinesischen Dozenten und abgesehen davon hat man über die chinesische Kultur nicht sehr viel gelernt.

Y: Wie bist du nach China gekommen?

F: Ich war wie gesagt unzufrieden mit meinem Studium und wollte meine eigenen Erfahrungen mit der chinesischen Kultur sammeln. Daher wurde der Entschluss gefasst, das Studium in Deutschland ab- bzw. zu unterbrechen, um an der Xiamen Universität das Erlernen der Sprache zu vertiefen. In der Hoffnung bei der Rückkehr ein Praxissemester anerkannt zu bekommen, war ich später zunächst in der Natursteinbranche tätig und habe in einem rein chinesischen Umfeld gearbeitet. Dazu muss man wissen, dass Xiamen die wichtigste Handelsstadt in Ostasien für den Export von bearbeiteten Graniten, wie zum Beispiel Grabsteinen ist. In diesem Bürojob habe ich Interessen von Deutschen vertreten und saß dabei sehr viel vor dem Rechner. Schon seit meiner Kindheit habe ich zuhause viel Zeit am Computer verbracht, wodurch der Wunsch entstand, etwas zu tun in dem ich auch körperlich mehr gefordert werde. Inzwischen bin ich seit zweieinhalb Jahren in Xiamen und hatte immer wieder vor zurück nach Deutschland zu gehen, doch irgendetwas hat mich stets davon abgehalten.

Y: Und was genau denkst du hat dich hier gehalten?

F: Ich denke, die vielen Chancen die chinesische Sprache besser zu lernen waren ein wesentlicher Grund. Außerdem war da auch diese Angst wieder im Studienalltag in Deutschland zu sein. Wieder konfrontiert zu werden mit dem Leistungsdruck und der Angst zu versagen, was zu einer Realitätsflucht zurück vor den Computer führen könnte. Das schlechte Wetter in Deutschland ist wohl auch ein Grund in Xiamen zu bleiben.Wenn hier mal nur einen einzigen Tag depressiv graue Wolken die Straßen mit Regentropfen bedecken, dann glauben die Chinesen nicht, dass die Deutschen das die Hälfte des Jahres durchmachen müssen. Bis auf zwei Monate Hochsommer und zwei Monaten feuchten Winter mit Innen- sowie Außentemperaturen von 10-15°C, fühlt man sich hier schon wohler.

Eine Kundin kommt in den Laden von Fritz und die Frau, eine Chinesin, fragt nach Vollkornbrot. Fließend auf Chinesisch antwortet Fritz ihr und kümmert sich um sie.

Friedrich Hartmann, auch Fritz genannt, zusammen mit seiner Freundin Carol Lin in ihrem Geschäft "Baked in China"

Y: Wie bist du auf die Idee mit dem Brotbacken gekommen?

F: Ich habe eine Laktose Intoleranz, vertrage also keine Milchprodukte und hatte bereits in Deutschland angefangen mein eigenes Brot zu backen. Dann bin ich nach China gereist, allerdings ohne meine spezielle Brotbackmaschine, und nach einem halben Jahr hatte ich beim Frühstück ein Problem - ich wusste nicht so recht, was ich essen sollte. Bei einer Messe in Guangzhou sah ich dieselbe Brotbackmaschine, die ich auch in Deutschland benutzte und fasste den Entschluss, mir auch so eine hier in China zu besorgen. Damals backte ich zunächst für mich und für Freunde, also in einem kleinen Kreis. Anfangs verkaufte ich auch noch nicht an Chinesen, doch schon bald legte ich meine Scheu ab. Irgendwann merkte ich, auch die Chinesen sind ehrlich interessiert an meinem Brot.

Y: Wie hat sich das "Brotback-Projekt" weiterentwickelt?

F: Ich hatte zunächst nur den Online-Shop bakedinchina.de, habe also Zuhause auf Bestellung produziert und fuhr das Brot selber per Fahrrad zu den Cafés und den Kunden. Alles noch sehr aufwendig. Mein Kundenkreis wuchs und damit auch der Absatzmarkt. Durch chinesische Freunde, die mich bei Weibo, dem chinesischen Twitter, weiterempfahlen, kam das Ganze dann in Umlauf und wurde immer größer.

F: Wie entstand die Idee eines eigenen Ladens?

Y: Ich habe mir gewünscht, dass das Ganze einen offiziellen Charakter hat. Damit meine ich, nicht mehr alles Zuhause zu produzieren. Ich wollte meinen eigenen Laden besitzen. Dabei muss man in China einige Sachen beachten, wobei es praktisch war, dass wir die bürokratischen Angelegenheiten an eine Firma weitergeben konnten, die nur auf diese Art von Arbeit spezialisiert ist. Sie kamen daher lediglich aus uns zu, wenn sie unsere Unterschrift brauchten. Wir hatten uns darüber hinaus entschlossen, dass der Laden unter dem Namen meiner chinesischen Freundin angemeldet wird. Denn für einen Chinesen ist es einfacher einen Laden zu eröffnen, als für einen Ausländer. Weiterhin musste die Raumgröße passen, denn zum Backen wird sogar vorgegeben, wie groß der Platz sein muss.

Y: Haben die Farben im Logo von "Baked in China" eine Bedeutung?

F: Ja, das Rot steht für China, das Grün für den Gegensatz und für die Natürlichkeit.

Brotlieferdienst in Xiamen - Friedrich Hartmann backt hier sein Brot und liefert für Brotliebhaber

Y: In welche Richtung wird sich "Baked in China" in den nächsten Jahren weiterentwickeln?

F: Das rasante aber kontrollierte Wachstum dürfte sich fortsetzen. Immer mehr Chinesen wollen neben dem süßen, superweichen chinesischen Broten auch mal was anderes essen. Da sie wissen, dass ich als Deutscher, für gute Qualität stehe, mit Herz zubereitete, und nah am Kunden bleibe, wächst das Vertrauen immer mehr. Darüber hinaus sind westliche Brotläden nur in Peking und Shanghai vertreten. Da kommt ein mitunter tausend Kilometer gereistes Brotpaket, was dennoch schon am nächsten Tag eintrifft, sehr gelegen.

Y: Vermisst du Deutschland?

F: Nein, nicht wirklich. Ich vermisse manchmal das deutsche Denken. Also kritisch zu sein gegenüber einer Sache oder einfach ein Thema kritisch zu diskutieren. Das Wetter in Deutschland vermisse ich auch nicht, denn hier in Xiamen ist das Wetter herrlich. Über Skype habe ich noch regelmäßig Kontakt mit meinen Eltern, war aber in den zweieinhalb Jahren nur einmal in meiner Heimatstadt Leipzig.

Y: Du bist hier umgeben von chinesischen Läden, wie nehmen die chinesischen Besitzer dein Brotgeschäft auf?

F: Ganz gut, denke ich. Viele kennen mich bereits, weil ich seit längerer Zeit in der Nähe wohne. Es entwickelt sich hier alles sehr gut. Es wird sehr viel gebaut und es passiert auch sehr viel, gerade hier in dieser Straße. Auf alle Fälle eine spannende Zeit.

Y: Vielen Dank für das interessante Gespräch und alles Gute für deine Zukunft.