Unsere Mitarbeiterin Ulrike Löhrl war in China unterwegs. In diesem Reisebericht erzählt sie von ihrem Aufenhalt in einem kleinen Gasthaus am Yulong-Fluss.
Von Ulrike Löhrl
Wieder sitze ich auf der Terrasse von Zhong Nilings Gasthaus in einem Bambusliegestuhl. Eingepackt in Fleece und Decke, mit Blick auf die Karstberge, zu meinen Füßen fließt der Yulong-Fluss, der Nebenfluss des Li-Flusses. Das Gasthaus hat 6 Zimmer und ist ganz simpel eingerichtet, aber liegt inmitten der wunderschönen Karstkegelberg-Landschaft. Heute ist es diesig, aber die Sonne soll laut Wetterbericht ab 13 Uhr rauskommen - man kann schon einige wärmere Strahlen wahrnehmen. Ist der Wetterbericht in China verläßlicher?
Um mich herum zwitschern die Vögel, der Hahn kräht in voller Lautstärke, der Wasserbüffel vom anderen Ufer meldet sich zu Wort. Für ein so massiges Tier hat er eine ziemlich quäkende Stimme. In der Küche steht Xiao Zhu und kocht etwas für seine schwangere Frau und für mich zu Mittag, meine Freunde sind mit dem Fahrrad unterwegs. Wenn es sonniger wird, fahren sie vielleicht auch eine Runde mit dem Bambusfloß heute nachmittag.
Ab und an kommen sie hier am Haus vorbei, die Bambusflöße, die Touristen bekleidet mit orangefarbigen Schwimmwesten, hinten auf dem schmalen Floß stehen die Männer mit ihren langen Stäben und staken das Floß. Es ist eine wunderschöne lautlose Fahrt auf dem Fluss zwischen den Karstbergen. 500 Meter von hier gibt es eine uralte Brücke ins Dorf Yulong. Das Leben hier ist das chinesische Alltagsleben. Jetzt ist die Feldarbeit fast getan, es wird ruhiger, es müssen noch Persimonen und andere Früchte geerntet werden.
Hier ist weniger los als in Richtung Yangshuo. Die Weststrasse in Yangshuo, berühmt in ganz China, ist so etwas wie der Ballermann Chinas, dort kann man sich wenn man will, die Kante geben, teuer und schlecht essen und internationale Souvenirs kaufen. So viele betrunkene Chinesen auf einen Haufen habe ich nirgends anders gesehen. Vor den Bars und Restaurants stehen die Koberer und werben mit ihren Produkten um Gäste. Aber wir sind hier, weit weg von allem, und ich genieße die Ruhe, den Mittagsschlaf, Faulsein, umsorgt werden.
Es ist Nachmittag: Mit meinem Liegestuhl bin ich auf die Brücke vor der Terrasse vorgerückt, immer der herbstlichen Sonne hinterher - auf dem Fluss sind fast keine Flöße mehr unterwegs, ein paar Enten schwimmen lautlos vorbei. Der Wasserbüffel gegenüber gibt Ruh, vielleicht, weil der Bauer bei ihm im Gras sitzt. Gerade kommt ein Flößer mit leerem Floß vorbei und steuert sein Floß einhändig, in der anderen hält er sein Handy und telefoniert. Feierabend!
Die Sonne steht niedrig, der Bauer zieht seinen Wasserbüffel am Seil und geht langsam nach Hause. Wenn die Sonne einmal untergegangen ist, kommt die Dunkelheit schnell, ohne lange Dämmerung. Im Sommer kann man hier im Fluss baden und schwimmen, auch für Kinder ein Paradies. Zhong Nilings Kind kommt im Februar, es wird es gut haben hier. Im Garten gibt es verschiedene Sitzecken, wo man im Sommer gut der Hitze entfliehen und im Schatten sitzen kann. Es gibt auch eine Hollywoodschaukel - ein Schaukelgestell mit einer an Seilen aufgehängten Bambusbank.
Die Hühner wurden für ihr Abendessen herausgelassen, eigentlich sind es 6, aber Xiao Zhu hat eins gefangen und kurz entschlossen geschlachtet, das wird ein Teil des Abendessens. Die Hühner sind für Zhong Niling, nach der Geburt wird sie einen Monat lang mit Hühnerfleisch aufgepäppelt und darf sich ausruhen. Wenn das Kind 100 Tage alt ist, gibt es ein großes Fest mit gutem Essen und Schnaps. Die Eltern und die Großmutter von Xiao Zhu sind aus der Kreisstadt gekommen, sie essen am Wochenende immer zusammen. Die Mutter hat sich mit dem Sohn gleich in die Küche gestellt, sie kochen gemeinsam. Die Großmutter ist vor dem Fernseher geparkt.
Ich sitze wieder auf der Terrasse und sehe dem Abendnebel zu, der die Karstberge in Dunst hüllt. Die Sonne ist untergegangen. Vor meinem Zimmer im 2. Stock hängt ein roter Lampion auf dem Balkon, den werde ich gleich anschalten. Zum Abendessen gibt es frittierte, mit Hack gefüllte Auberginenpäckchen, gefüllten Tofu und Gemüse, dazu Bier und Schlangenschnaps. Gewöhnungsbedürftig, der Schlangenschnaps - Giftschlange mit Ginseng und Kräutern eingelegt in 53%gem Schnaps, bestimmt sehr heilkräftig. Warten wir mal ab, wie wir uns morgen fühlen.
Zhong Niling und Xiao Zhu haben uns das Video von ihrer Hochzeit vor knapp 2 Jahren gezeigt. Eine Lehrstunde in unterschiedlichen Sitten und Gebräuchen, aber unterwegs auf unserer Reise sind uns ja schon andere Hochzeitsfeierlichkeiten vorgekommen, so dass es nicht vieler umständlicher Erklärungen benötigte. In Chinas großen Städten ist sicher vieles anders als in der Provinz, aber Reste der Traditionen finden sich immer. So ist bei Erzählungen über Hochzeiten z.B. immer wichtig zu erwähnen, wieviele Tische (à 10 Personen) es bei der Hochzeit gab, damit kann berechnet werden, wie groß oder klein die Hochzeit gefeiert wurde.
Die Hochzeitsgäste steuern ihren Teil der Finanzierung durch Geldgeschenke in roten Umschlägen bei, deren Geber und Inhalt immer genau registriert wird, um sich bei entsprechender Gelegenheit zu revanchieren. Auch ist es selbstverständlich, dass nicht nur Familie, sondern auch Arbeitskollegen und der Chef zur Hochzeit eingeladen werden. In vielen Firmen schaut sich der Chef den Kandidaten der Mitarbeiterin genau an. Der Chef fühlt sich oft als Pater Familias, seine Angestellten sind wie Kinder, über die er mit väterlicher Strenge wacht. Nichts von wegen Trennung von Privat- und Arbeitsleben.
Morgen geht es dann weiter ins tropische Hainan, das Hawaii Chinas. Dann sind wieder die Sommersachen dran, und es erwartet uns das Hotel Kempinski - einmal im Leben Luxus mit Jacuzzi auf dem Balkon!
Möchten Sie eine Bambusfloßfahrt auf dem Yulong-Fluss machen und die malerische Karsthügellandschaft erleben? Dann empfehlen wir Ihnen unsere Reise "Zauberberge und Reisterrassen". Weitere Reiseberichte aus China und anderen Destinationen finden Sie bei Augen-auf-Reise. Maria Seffar und Björn Felber berichten dort von ihrer Weltreise.