Shanghai 1933, eine in den 30er Jahren erbaute Schlachterei erlebt ihren zweiten Frühling: Anstelle von Schlachtvieh beherbergt sie nach einer umfangreichen Renovierung nun hochpreisige Restaurants, Cafés, Galerien, Veranstaltungsräume und Büros. Wahre Attraktion ist jedoch die bizarre Architektur , die Shanghai 1933 zu einem der ungewöhnlichsten Bauwerke in der chinesischen Metropole macht.
Beim Betreten von Shanghai 1933 fühlt man sich ein wenig, als sei man in das Bild der unmöglichen Treppen von M. C. Escher getreten: Etliche Verbindungswege überbrücken auf mehreren Etagen den freien Raum zwischen einem inneren runden Gebäude und der Randfläche des Gesamtkomplexes. Sich nach oben hin verbreiternde Säulen sorgen für die Stabilität der entstehenden Vorsprünge. Der Aufstieg erfolgt über schmale Treppen oder über breite Rampen in den Ecken des äußeren Gebäudeteils, dem ehemaligen Pfad für das Vieh; innerhalb der zentralen Rotunde gelangt man u.a. über Wendeltreppen nach oben (wer den Treppenauf- oder abstieg scheut, erreicht die oberen Stockwerke vom Gebäudeinnenteil auch bequem mit dem Aufzug).
Wie der Name schon vermuten lässt, wurde die Schlachterei in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts erbaut. Die Pläne im Stil des Art Déco stammen von einem britischen Architekten und tatsächlich existierten in England sowie den USA zwei weitere Gebäude gleicher Bauart, welche mittlerweile jedoch abgerissen wurden. Die ungewöhnliche Struktur des Gebäudes ist neben ästhetischen Überlegungen natürlich in erster Linie der Arbeitseffizienz bzw. dem schnellen Fluss von Arbeitern und Schlachtvieh sowie einer optimalen Luftzirkulation geschuldet. Nachdem das Gebäude in den Jahrzehnten nach seiner Erbauung jedoch wechselnden Verwendungszwecken zugeführt wurde und zuletzt leer stand, erkannte man vor einigen Jahren dessen Marktwert und renovierte es von Grund auf. Einige Entscheidungen hinsichtlich seiner jetzigen Nutzung darf man zwar infrage stellen (etwa den Fokus auf eine sehr kaufkräftige Kundschaft), doch was letztendlich zählt, ist die Zugänglichmachung für die breite Öffentlichkeit.
Das Erdgeschoss, ein Atrium, das den Blick auf die offene Bauweise des Gebäudes freigibt, verfügt über einige Läden und Cafés. Von deren Sitzgelegenheiten im Außenbereich aus kann man zunächst in Ruhe die besondere Stimmung von Shanghai 1933 in sich aufnehmen. In den oberen Stockwerken finden sich u.a. Designer-Restaurants, deren Preise aber wenig einladend sind; begnügen Sie sich am besten mit einem Blick durch die Scheibe auf die durchgestylten Gasträume, in denen die Schönen und Reichen Shanghais ihre Bankette abhalten.
Daneben wird ein großer Saal auf der Vorderseite des Gebäudes mitunter für Fotoshootings oder Filmdrehs genutzt. Seine Anziehungskraft erhält dieser durch die vergitterte Fensterfront, in deren Fensteröffnungen aufmerksame Besucher den Grundriss des Gebäudes erkennen: Einen Kreis in einem Rechteck. Nachdem man sich beim Kraxeln über die verschlungenen Wege inner- und außerhalb der Rotunde ein wenig sattgesehen hat, geht es in die oberste Etage des zentralen Rundgebäudes, welche – abgegrenzt von der ansonsten offenen Struktur mit einem Glasboden – als Bühne genutzt wird. Tritt man von dort nach draußen, eröffnet sich der Blick auf alle unteren Stockwerke und Verbindungswege zum Außenteil. Diese lassen sich auch vom Rand des Stockwerks gut beobachten, welcher überwiegend Büroräume beherbergt.
Ein weiterer guter Grund für einen Besuch von Shanghai 1933 ist schließlich die Aussicht von der oberen Etage des Gebäudes. Von jeder Seite kann man hier den Blick über die Stadt schweifen lassen. Interessant sind hierbei auch die Baustile verschiedener Epochen, welche im teils noch ursprünglichen Hongkou-Distrikt besonders kontrastreich wirken: So fällt der Blick vielleicht nach unten in einen kleinen Dachgarten, der den Bewohnern eines einfachen Wohnhauses als Rückzugsort dient; ein Stück weiter erspäht man einen Schulhof im eng bebauten altmodischen Viertel. Dahinter erheben sich bereits verheißungsvoll die modernen Apartmenthochhäuser und Büro-Wolkenkratzer.
Zweifellos ist Shanghai 1933 aufgrund seiner außergewöhnlichen Architektur auch ohne Gastronomie und Einkaufsmöglichkeiten ein attraktives Ausflugsziel. Kein Wunder also, dass es mittlerweile zu einem beliebten Anlaufpunkt für Hobbyfotografen geworden ist. Sowohl die Rotunde als auch der umliegende Gebäudeteil bieten mit ihren zahlreichen verschachtelten Brücken, Wegen und Treppchen einzigartige Motive. Dies gilt besonders, wenn die Nachmittagssonne im schrägen Winkel in das Gebäude einfällt und das Spiel von Licht und Schatten Shanghai 1933 in eine noch surrealere Atmosphäre taucht. In der Tat scheinen die überwiegend jungen Besucher recht wenig Interesse an den Konsummöglichkeiten zu haben. Viele begnügen sich mit einem Abstecher in eines der Cafés und kommen ansonsten für das Gebäude selbst sowie für besondere Schnappschüsse hierher.
Wenn Sie sich also für Kunst und Architektur begeistern, gerne ungewöhnliche Orte erkunden und die Aussicht genießen wollen, dann haben Sie mit Shanghai 1933 das perfekte Ausflugsziel gefunden!
Verlassen Sie die Haltestelle über Ausgang 5. Wenden Sie sich nach links und folgen Sie der Hailun Road bis zur Kreuzung Hailun Road/Siping Road. Überqueren Sie die Kreuzung und gehen Sie weiter auf der Hailun Road geradeaus, bis Sie zu einem Fluss gelangen. Überqueren Sie diesen und biegen Sie direkt hinter der Brücke rechts auf die Shajing Road ab. Dieser folgen sie nun, bis Sie auf der linken Straßenseite Shanghai 1933 erreichen.
Shanghai 1933 Old Millfun
10 Shajing Road, Hongkou, Shanghai
上海1933 老场坊
沙泾路10号,虹口区,上海
Täglich 10:00 – 22:00 Uhr
Eintritt frei
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