Die Art und Weise wie in China Religion gelebt und erlebt wird, unterscheidet sich grundlegend von unserer westlichen Religiosität. Die Religion in China ist weniger „exklusiv“ und es ist nicht ungewöhnlich, wenn ein chinesischer Christ gelegentlich einen buddhistischen Tempel besucht, teilweise nach taoistischen Maßstäben lebt und traditionell die Ahnenverehrung pflegt. Im Gegensatz zu vielen anderen Religionen beruhen traditionelle chinesische Religionen nicht auf dem Konzept eines Gottes. Sie basieren eher auf der Verehrung von Ahnen oder auf philosophischen Ansätzen, so wie der Taoismus oder Konfuzianismus. Wo bei diesen Denkschulen Philosophie endet und die Religion beginnt, ist daher schwer zu sagen.
Die Mehrheit der Chinesen gehört offiziell keiner Konfession an. Statistiken mit konkreten Zahlen sind wegen des fließenden Charakters der Religion in China schwer zu erheben. Der wesentliche Grund liegt jedoch darin, dass die Chinesen keine, wie beim Christentum üblich, vorgegebenen Regeln oder feste Zugangsrituale wie beispielsweise die Zeremonie der Taufe besitzen, die eine Zugehörigkeit eindeutig erkennen lassen.
Neuere Zahlen können aber zumindest einen Eindruck von den relativen Größenverhältnissen liefern. Neben den noch immer zahlenmäßig dominierenden Religionen indigenen Charakters, überrascht insbesondere das Wachstum der beiden christlichen Konfessionen. So hatte die protestantische Kirche trotz großer Bemühungen der Missionare seit dem 19. Jahrhundert um 1949 nur rund 500.000 getaufte Anhänger. Heute gilt sie nach dem Buddhismus als organisierte religiöse Richtung mit der zweithöchsten Anhängerzahl. Neben der Ahnenverehrung und einigen volkstümlichen alten Religionen der nationalen Minderheiten sind die fünf wichtigsten Religionen Chinas der Buddhismus, der christliche Protestantismus, der Katholizismus, der Taoismus sowie der Islam, wobei nur der Taoismus sich aus der chinesischen Kultur heraus entwickelt hat – alle anderen Religionen stammen aus anderen Weltregionen.
In China werden nur Religionen anerkannt, die vom Staat als „ungefährlich“ eingestuft wurden. Zu diesen gehört der Buddhismus, der in China auf eine lange Tradition zurückblickt. Hauptvertretung dieses Glaubens ist die Chinesische Buddhistische Gesellschaft, die sich für den Wiederaufbau einiger Tempelanlagen und buddhistischer Klöster einsetzen. Die Wurzeln des Buddhismus reichen bis in das 6. Jahrhundert zurück, bevor er sich schließlich in der Tang-Dynastie durchsetzte. Obgleich es verschiedene Schulen gibt, ist ihnen die angestrebte geistige Reinheit sowie Entwicklung gemeinsam. Als eine der wichtigsten Glaubensrichtungen ist es nicht verwunderlich, dass Einheimische zu Hause zu einer Buddha-Statue beten, die Touristen allerdings beispielsweise beim shoppen und flanieren solche Statuen zur Dekoration oder als Andenken kaufen.
Der Konfuzianismus, benannt nach seinem Begründer Konfuzius, ist mehr ein philosophisches System als eine Religion in China. Er gehört neben dem Buddhismus und Daoismus zu den „Drei Lehren“. So sagte der chinesische Kaiser der Ming-Dynastie einst "Die drei Lehren sind eins", was bedeutet, dass diese Lehren sich gegenseitig ergänzen und parallel zueinander bestehen.Daher rührt auch ein bekanntes Sprichwort: „Ein Chinese ist Konfuzianer wenn es ihm gut geht, er ist Daoist, wenn es ihm schlecht geht und er ist Buddhist im Angesicht des Todes.“ Daher werden in China bei Hochzeiten daoistische Priester bevorzugt, wohingegen zu einer Beerdigungen ein buddhistischer Mönch hinzugezogen wird.
Der Konfuzianismus vereint fünf Tugenden: Menschlichkeit, Gerechtigkeit, ethisches Verhalten, Weisheit und Güte. Aus diesen Tugenden ergeben sich für den Konfuzianer drei soziale Pflichten, die diesen Tugenden entsprechen: Loyalität, kindliche Pietät und die Wahrung der Riten.
Der Daoismus, oder auch Taoismus, zeigt einige Gemeinsamkeiten mit dem Buddhismus und führt unter Westlern häufig zu Verwechslungen, da er keine einheitliche Lehre besitzt. Auch der Daoismus ist eine chinesische Philosophie und Weltanschauung. Es geht hierbei unter anderem um kosmologische Vorstellungen von Himmel und Erde, die Lehre vom Qi (welches für Energie steht) oder das Ying und Yang. Der Einklang mit dem Körper spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, weshalb Tai-Chi und Qigong im Daoismus oft praktiziert werden. Zu den bekanntesten daoistischen Tempeln gehört der Dongyue-Tempel in Peking, der auf der Liste der chinesischen Denkmäler steht. Zwar sind verschiedene daoistische Sekten verboten, doch gehört die daoistische Vereinigung Chinas zu den anerkannten Glaubensrichtungen, die unter anderem Rituale durchführen, Philosophie und Musik lehren.
In den vergangenen Jahrzehnten erlebte das Christentum in China einen stetigen Zuwachs an Gläubigen. Anders als in Deutschland praktizieren Katholiken sowie Protestanten in China den Glauben in strikter Trennung. Zusätzlich besteht ein Unterschied zwischen Gemeinschaften auf dem Land und der Stadt. Dabei bekennen sich arme Menschen auf dem Land zum Christentum, da Gott gemäß dem Glauben auch den Gebeten armer Menschen Gehör schenkt. In Städten suchen die Menschen dagegen moralische Unterstützung im Christentum.
Der Islam geht in der Geschichte Chinas bis in das 7. Jahrhundert zurück. Die sogenannten ethnischen Minderheiten, wie die Uiguren, Kasachen oder Usbeken, als auch die von der Regierung als „Hui-Chinesen“ bezeichneten Gläubigen, praktizieren den islamischen Glauben. In Nordwestchina in der Provinz Xinjiang stellen Muslime nach wie vor die Bevölkerungsmehrheit dar, auch wenn aktuell ein großer Zuwachs an Han-Chinesen dort zu beobachten ist. Im Gegensatz zu den anderen Einwohnern waren diese Bevölkerungsgruppen nicht von der Ein-Kind-Politik betroffen.
Die Vielfalt der Religion in China war nicht zu jeder Zeit so erwünscht wie heute. Zu Zeiten Mao Zedongs galt Religiosität offiziell als rückständig und war vom kommunistischen Staat nicht gern gesehen. Staatliche Verfolgung aufgrund von Religionszugehörigkeit war keine Seltenheit, ebenso die Schändung religiöser Stätten und Tempel. Erst nach dem Tod Maos hat sich die staatliche Haltung gegenüber den verschiedenen Religionen etwas entspannt und so wurde 1978 in der chinesische Verfassung die religiöse Freiheit der Bevölkerung festgehalten.
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