Im Umland der südchinesischen Stadt Kaiping findet sich ein Meer einsamer Türme, die wie arrangiert aus den grünen Reisfeldern ragen. Bis zum Horizont erstrecken sich die sogenannten „Diaolou“, welche bis zu neun Stockwerke hoch und individuell ausgestaltet sind. Den Türmen mutet bisweilen etwas leicht Düsteres an. Das Mauerwerk ist massiv und ebenso sind es die metallenen Fensterläden. In den Wänden befinden sich Schießscharten und zahlreiche Einschusslöcher zeugen von Auseinandersetzungen.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in den südchinesischen Küstenstädten abertausende „Kulis“ angeworben, denn durch die Abschaffung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten und den britischen Überseegebieten wurden dort dringend Arbeitskräfte benötigt. Willkommen waren die Chinesen dort aber oft nicht. Viele von ihnen kehrten deshalb Ende des 19. Jahrhunderts wieder nach China zurück.
In China selber herrschte politisches Chaos: Räuber, Banden, marodierende Soldaten, die Bedrohungen waren vielfältig. Die Landbewohner waren diesem Treiben in den Wirren der Kulturrevolution schutzlos ausgeliefert. In Kaiping kamen die dynamischen Heimkehrer allerdings auf eine Idee. Seit Jahrhunderten gab es dort Diaolou-Türme (wörtlich: Wach-Gebäude), in denen ganze Dörfer vor den Monsun-Überschwemmungen Zuflucht fanden. Warum also nicht gleich Wohnhäuser im Stil der Schutztürme bauen? Gedacht getan, so errichteten viele Ihre Diaolous als Wohnfestungen mit Verzierungen aus dem erlebten Exil. Daher kommt es, dass die meisten Diaolou-Türme mit westlichen Barock-Elementen ausgeschmückt sind, die den Chinesen in Übersee besonders gut gefallen hatten. Andere Diaolou wiederum sind Moscheen oder südostasiatischen Tempeln nachempfunden.
Pragmatischer ist die technische Ausstattung der Diaolou: viele Inhaber installierten Anfang des 20. Jahrhunderts leistungsstarke Scheinwerfer, so dass sie Angreifer im Dunkeln gut erkennen konnten. Die unteren Etagen sind oftmals eher schmucklos, während ausladende Dachetagen oft mit Loggias und Terrassen gekrönt sind. Der Zugang zum Gebäude erfolgt oft über Freitreppen. Gebaut wurden die meisten Diaolou aus Stahlbeton und gesichert mit Stahltüren.
Um die dreitausend solcher Türme sind bis heute erhalten geblieben, wovon rund 1800 in der Umgebung von Kaiping zu finden sind. Seit über zehn Jahren werden viele der Türme auf staatliches Geheiß restauriert, und 2007 wurden dann die Diaolous von Kaiping zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.
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