Augenblick, China: Unterirdisches Peking

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Erinnern Sie sich, wie ich vor ein paar Tagen behauptet habe, so langsam aber sicher hinter den Knigge der öffentlichen Verkehrsmittel in Peking gestiegen zu sein? Die ganze Wahrheit ist, dass ich mich gleich am ersten Tag meines Hierseins mit leerem Magen (!) in den Berufsverkehr wagte; mit U-Bahn, Taxi und dann auch noch mit dem Bus fuhr –und versagte. Frisch gewagt ist eben nicht immer gleich halb gewonnen. Dafür bin ich der gerade noch lebende Beweis. Ich durfte auf die harte Tour lernen, was man tun und was man definitiv lieber lassen sollte, wenn man sich in und rund um Peking bewegt.

Die Stadt die niemals schläft

Aber noch einmal zurück an den Anfang. Normalerweise würde der gesunde Menschenverstand bei der bloßen Erwähnung von Berufsverkehr in der Großstadt alle Alarmglocken Sturm läuten. Wenn nicht unbedingt nötig, tut sich das doch niemand an, richtig? Sehr zu meinem Leidwesen kam ich aber nicht umhin: Ich musste für meinen Job eine medizinische Untersuchung über mich ergehen lassen und dafür einmal quer durch die Stadt reisen. Vielleicht zu Ihrem Leidwesen werden Sie gleich lernen, dass es so etwas wie eine Rush-Hour hier in Peking gar nicht mehr gibt.

Abendverkehr im Expatviertel Sanlitun Abendverkehr im Expatviertel Sanlitun

„Es ist immer Rush-Hour in Peking“, meinte lachend der Taxifahrer in seinem gebrochenem Englisch, als wir letzte Woche auf dem Nachhauseweg mal wieder in einer trägen Autosuppe stecken blieben und ich einen frustrierten Seufzer ausstieß. Böse Zungen behaupten, dass jeden Tag um die 1.000 neue Fahrzeuge zum tagtäglichen Wahnsinn des Pekinger Verkehrstrubels hinzustoßen. Das heißt, zeittechnisch macht es keinen großen Unterschied, ob Sie sich überirdisch mit Taxi und Bus oder unterirdisch in der U-Bahn fortbewegen. Es ist alles eher eine Frage davon, wie viel und welch engen Kontakt mit Ihrer Umwelt Sie vertragen.

Morgens in der Sardinenbüchse

Lan Lan, die Praktikantin, die mich am ersten Tag begleitet hatte, entschied sich zunächst für das ausgeklügelte und auch sehr preisgünstige U-Bahn-System, um zum Krankenhaus zu gelangen. Okay, ich kannte die Bilder aus Tokios U-Bahn und Berlin ist ja auch nicht gerade ein Dorf. Doch auf derartige Menschenmassen war ich dann doch nicht vorbereitet. Beim Anblick des vollgestopften Abteils wurde mir ganz flau im Magen.

„Da passen wir doch nicht mehr-?“ Doch, passten wir. -Wuuuusch. Mit dem Schließen der Waggontüren schienen wir nicht nur von den Bahnhofgeräuschen, sondern auch von jeglicher Frischluftzufuhr abgeschnitten zu sein. Die Hochsteckfrisur der Dame vor mir im Gesicht, schaffte ich ein tapferes Lächeln, als Lan Lan ihr lautloses „OK?“ mit den Lippen formte und mir aufmunternd zunickte. Allerdings hatte mein Kreislauf aus Protest gegen den Jetlag und die fehlende Energiezufuhr sofort auf Kriegszustand geschaltet. Mir wurde unangenehm heiß. An jeder neuen Haltestelle stiegen zwei Leute aus und gefühlte 30 mehr ein. In einem besonders drückenden Moment fragte ich mich ernsthaft, ob einer dieser Waggons schon mal geplatzt war.

Die Arme eng an den Körper gepresst, um niemandem meine Ellenbogen in die Seiten zu stoßen, begann ich, langsam und tief ein und aus zu atmen und versuchte, mich aus meinem dicken grünen Wollschal zu schälen. Aber es war schon zu spät. Mein Sichtfeld verengte sich merklich und mein Kopf fühlte sich erschreckend leicht an. Großartig. Wenn ich nicht sofort aus diesem Zug rauskäme, würde ich umkippen. Doch wohin? Hier war ja nun wirklich kein Platz, um öffentlichkeitswirksam ohnmächtig zu werden. Ich würde einfach in mich zusammensinken und unter den Füßen der Pekinger Arbeitsmasse in den Bodenbelag dieses Waggons getrampelt. Hunger macht zynisch.

Seekrank in Peking

Irgendwie gelang es mir, Lan Lan mit einem Wink der Handkante in Richtung Kehle mein Elend anzudeuten, bevor ich mich beim nächstbesten Halt aus der Menge herausdrängte. „Wir sind doch noch gar nicht da!“ rief sie wenig später dem auf dem Boden kauernden Elend, das ich geworden war, immer wieder zu. Doch dann musste sie meine grünliche Gesichtsfarbe bemerkt haben, denn plötzlich schlug sie vor, wir sollten vielleicht doch lieber ins Taxi umsteigen.

Waren Sie schon einmal seekrank? Ich erspare Ihnen lieber die Details meiner anschließenden Reise. Doch lassen Sie mich soviel sagen: Im ständigen Stop-And-Go musste das Taxi zweimal nothalten. Und wofür die ganze Aufregung? Um im Krankenhaus festzustellen, dass meine deutschen Untersuchungsergebnisse doch vollkommen ausreichend waren und nur nochmal abgestempelt werden mussten.

Koreanisches Barbeque in Peking Koreanisches Barbeque in Peking

Trotz eines ausgedehnten Mittagessens und meiner Beteuerungen, dass es mir wieder prächtig ginge, weigerte sich Lan Lan strikt, jemals wieder eine U-Bahn oder ein Taxi mit mir zu betreten. Ich hatte der Armen eine Heidenangst eingejagt. Da wird sie schon mit der neuen Mitarbeiterin losgeschickt, und die stirbt ihr halb weg! Weil zu Fuß gehen leider ausgeschlossen war, blieb nur noch eine Option: Bus. Um ehrlich zu sein, war auch die Rückreise, obwohl der angenehmste Teil, ein Abenteuer für sich. Abends fiel ich einfach nur noch wie ein Stein ins Bett. Mein erster Tag hatte mich mit voller Wucht umgehauen. Allerdings hatte ich am Ende auch das Gefühl, Peking im wahrsten Sinne des Wortes ein ganzes Stück näher gekommen zu sein.

PS: Übrigens habe ich ein paar Sachen über das „richtige“ Busfahren gelernt und Ihnen in einer kleinen Liste zusammen gestellt. Mehr dazu finden Sie bald im China Tours Magazin!

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