Kunst eint Tradition und Moderne

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Bei Glen Yuan steht schon einmal die Polizei im Atelier, Hang Quingshi besinnt sich auf alte Traditionen. Die Kunst in China ist äußerst vielseitig. Das zeigen Künstler und Galerien in Peking, Shanghai und Suzhou. / Von Kathrin Konyen

„Das sind Mao, Jesus und ich“, erklärt Glen Yuan mit einem schelmischen Grinsen. Er steht vor einem Gemälde, das in seiner Machart stark an ein Triptychon eines Altars erinnert. Um die Provokation auf die Spitze zu treiben, hat der Künstler die drei Männer nackt gemalt.  Nicht nur der Regierung Chinas ist Glen Yíuan mit seinen Arbeiten ein Dorn im Auge – auch in den USA ist es ihm nicht erlaubt, eigene Ausstellungen zu haben. Dennoch scheint Glen Yuan weitgehend ungestört seiner Arbeit nachgehen zu können –dass ihm die Polizei von Zeit zu Zeit einen Besuch abstattet, stört ihn nicht, sondern erfüllt ihn eher mit Stolz. Er ist stolz darauf, sich den Einschränkungen durch die Regierung zu widersetzen. Glen Yuan lebt in Songzhuang. Die Siedlung liegt etwa 40 Kilometer östlich von Pekings Zentrum und hat sich in den letzten 20 Jahren zu einem Künstlerdorf entwickelt.  Heute leben und wirken dort in Nachbarschaft zu alteingesessenen Bauern mehr als 1500 Künstler aus allen Regionen Chinas. Immer mehr Kunstmuseen und Galerien siedeln sich im Dorf an – das größte Museum am Ort ist das Sunshine International Museum.

Seit zehn Jahren lebt auch Ma Yanling in Songzhuang. Auch sie provoziert gerne mit ihrer Kunst: Fotos, auf denen sie selbst vor dem Abbild Mao Zedongs am Tor des Himmlischen Friedens zu sehen ist und sich eine Pistole an den Kopf hält. „Das hat einige Versuche gekostet, bis wir es an der Polizei vorbei geschafft haben“, erzählt sie. Doch nicht nur provokative Werke tragen das Label „Made in Songzhuang“. Hoang Wenfeng etwa ist mit seinen riesigen Ölgemälden im Bronzestil eher der Vergangenheit zugewandt: Sein „Traum im Osten“ adaptiert chinesische Legenden, zeigt Kaiser-Figuren und in der Mitte hat er Yin und Yang platziert, die Symbole der Harmonie. Auf Erneuerung setzt Afang Li Xiufang Yuhudie: Aus den Samen des Jade-Schmetterlingbaums aus Chinas Südwesten stellt sie Lampen her. Bevor sie nach Songzhuang kam, stellte sie in der Kunstfabrik 798 aus.

Das Künstlerviertel 798 liegt näher an der Innenstadt Pekings und gehört mittlerweile zum touristischen Standard-Programm. Das ehemalige Industriegelände wurde in den 50er Jahren von DDR-Architekten im Bauhaus-Stil geplant. Im Jahr 2001 entstand daraus das Künstlerviertel 798. Zunächst wohnte dem Gelände ein subkultureller Charakter inne, wurde aber mit der Zeit immer kommerzieller.  Heute sind die Galerien und Studios beinahe in der Unterzahl und in den Gebäuden sind kleine Läden. Verkauft werden dort Kleider, Notizbücher , Schmuck, Tassen und allerlei Nippes. Oftmals haben die Dinge einen eindeutig kommunistischen Bezug, zeigen einen roten Stern oder Mao Zedong – Nostalgie, die sich schlicht gut verkauft. Auch in Shanghai haben sich auf einem ehemaligen Fabrikgelände Künstler angesiedelt. Das Künstlerviertel M50 zählt zu den ältesten Kunstbezirken Shanghais. Mittlerweile haben dort mehr als 130 chinesische und ausländische Künstler ihre Studios und Galerien. Die Shangart Gallery ist wohl die bekannteste der M50-Galerien: Der Schweizer Lorenz Helbig hat sie 1996 ins Leben gerufen und war damit der erste ausländische Galerist in Shanghai, der moderne chinesische Kunst ausstellte.

Provokativ, innovativ und modern sind nicht die einzigen Attribute, die auf die chinesische Kunst zutreffen. Es gibt nach wie vor auch Künstler, die sich der traditionellen Tuschemalerei widmen. Hang Quingshi ist einer von ihnen. Der 69-Jährige wurde in Shanghai geboren, lebt und arbeitet seit 1970 aber im rund 90 Kilometer westlich gelegenen Suzhou. Während seines Kunststudiums galt das Interesse Hang Quingshis zwar der sowjetischen und europäischen Kunst, doch obwohl mit der Kulturrevolution zwischen 1966 und 1976 die Jahrtausende alte chinesische Kultur bekämpft wurde, hatte der Künstler in dieser Zeit Gelegenheit, die Tradition seines Landes zu studieren. Nicht nur seine Technik entspricht seither der chinesischen Tradition, sondern auch die Auswahl seiner Motive: Landschaften. Dabei geht es ihm nicht darum, Naturerscheinungen realitätsnah nachzubilden, sondern darum, deren Wesen darzustellen. So können seine Bilder auch der Phantasie entspringen die Orte, die er darstellt, gibt es so teilweise überhaupt nicht. Dafür tragen die traditionellen Landschaften in Tusche schwer an Bedeutung. Das wichtigste Prinzip: Die Harmonie zwischen Himmel und Erde.

Eine weitere Komponente der traditionellen chinesischen Kunst ist der Gartenbau. In der Gartenbaukunst spiegeln sich stets auch Poesie und Malerei und damit philosophische Strömungen, kulturelles Bewusstsein und ästhetisches Empfinden. Da wundert es nicht, dass sich der SohnHang Quingshis, Hang Lei, auf die Gartenbaukunst spezialisiert hat. Vier architektonische Elemente sind in einem traditionellen chinesischen Garten unverzichtbar: Wasser, Berge, Pflanzen und Bauwerke. Dabei spielen Wasser und Berge, die oft nur als kleine Hügel angedeutet sind, die herausragende Rolle: Mit ihnen wird die Harmonie zwischen Himmel und Erde versinnbildlicht. Auch die Pflanzen im traditionellen chinesischen Garten werden vor allem wegen ihrer Bedeutung verwendet.  Die Klassiker: Trauerweide als Frühlingsbote und sexuelles Symbol, Winterkirsche als Symbol des Mutes, Päonien als Zeichen für ein erfülltes Liebesleben der Frauen und den Reichtum, die Chrysantheme steht für Tapferkeit, die knotenartigen Teile des Bambus symbolisieren die Stufen auf dem Weg zur Erleuchtung und die Kiefer gilt als Männlichkeitssymbol. Was die Bauwerke im Garten angeht, so scheinen sie für das europäische Auge die Hauptsache zu sein: Die alten Gärten sind verschachtelte Gebäudekomplexe mit begrünten und bewässerten Innenhöfen. Tatsächlich wurden die teils schlichten Häuser auch vielseitig benutzt – etwa als Wohn-, Musizier-, Mal- oder Spielzimmer. Sie bieten Gelegenheit, die Szenerie im eigentlichen Garten zu beobachten. Freilich gibt es auch Gärten, in denen sich als Bauwerk lediglich ein Pavillon befindet.

Eine äußerst reduzierte Form eines chinesischen Gartens hat Ieoh Ming Pei gestaltet. Weltweit bekannt geworden ist der Architekt mit dem Erweiterungsbau der National Gallery of Art in Washington, dem Neubau des „Bank of China Tower“ in Hongkong, der Erweiterung und Sanierung des „Grand Louvre“ in Paris und dem „Ausstellungsbau des Deutschen Historischen Museums“ in Berlin. Eines der letzten Werke des 81-Jährigen ist der 2006 eröffnete Neubau des Suzhou Museums in Suzhou, das Exponate aus der Ming und der Qing Dynastie beherbergt. Der Grund für Ieoh Ming Pei, ausgerechnet in Suzhou zu wirken: Seine Familie stammt ursprünglich aus der Stadt. Die Verbundenheit Peis kommt in der Architektur des Museums-Neubaus zur Geltung: Er hat mit den hellen Wänden und den dunklen Dächern die traditionelle Architektur Suzhous adaptiert. Und natürlich ist auch der Garten des Museums den traditionellen chinesischen Gärten nachempfunden. Doch der Architekt hat die Elemente in eine neue Sprache übersetzt. Für die Berge hat er Granit aus der Provinz Shandong im Norden Chinas verwendet und ihn so angeordnet, dass insbesondere durch die Wirkung von Licht und Schatten der Eindruck einer Berglandschaft entsteht, wie sie aus der traditionellen chinesischen Malerei bekannt ist.  Die Pflanzen im Museumsgarten sind von Architekt Pei handverlesen.  Den Pavillon hat Pei im Stil der Song Dynastie gestaltet. Dominierend ist im Garten das Wasser.

Pei hat für das Museum auch einen Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst aus China konzipiert und umgesetzt. Am liebsten hätte er dort freilich Künstlern aus Suzhou eine Plattform geboten. „Aber die gehen lieber nach Shanghai“, bedauert der Neffe des Architekten, Gee Pei. Das Nebeneinander von Tradition und Moderne ist in der chinesischen Kunstszene offenbar auf die Metropolen konzentriert. Eine Verschmelzung, wie sie sich in der Architektur des Suzhou Museums findet, bleibt eher die Ausnahme. Der Einzug der Moderne hängt mit Sicherheit mit der Globalisierung und der Öffnungspolitik Chinas zusammen. Offen bleibt, ob künftig eine von westlichen Einflüssen freie chinesische Kunst erhalten werden kann.

Von Kathrin Konyen (Reise und Freizeit vom 02.April 2009, S. 41)

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