In China wird Tee nicht nur getrunken, er wird zelebriert und Schluck für Schluck genossen. Sehen, riechen, schmecken, atmen, eine Teezeremonie ist ein Erlebnis für die Sinne. Eine professionelle Teezubereitung erfordert eine zweijährige Ausbildung. Ein Beruf, der heute allerdinge immer seltener gelehrt wird.
Eine Teezeremonie wird an einem kunstvoll geschnitzten Holztisch durchgeführt. Die Teetrinker sitzen auf winzigen Hockern und auch das Teegeschirr sieht aus als käme es aus einem Puppenhaus. Der Besucher aus dem Westen fühlt sich ein bisschen wie Schneewittchen bei den sieben Zwergen. Das Gefühl der eigenen Plumpheit verstärkt sich noch im Angesicht der vollendeten Eleganz mit der ein ausgebildeter Chinese die Teezeremonie durchführt. Jede Handbewegung ist einstudiert und voller Grazie. Als erstes werden die winzigen Teekännchen und Becherchen mit heißem Wasser angewärmt. Während die Teetrinker die Teeblätter bewundern (Sehen), bereitet der Teezeremonienmeister den ersten Aufguss zu… und schüttet ihn sogleich in den Ausguss. Nachdem die Teeblätter so gewaschen wurden, ist der nächste Aufguss für die Gäste. Er wird in längliche Becherchen gefüllt. Die Becherchen werden mit den Trinkschälchen abgedeckt. Die Teetrinker drehen beides um und mit einer kreisenden Bewegung werden die Becherchen abgehoben. Der Tee landet im Schälchen. Klingt kompliziert, ist es auch. Der Genießer riecht nun an den Becherchen indem er sie zwischen den Händen rollt (Riechen). Durch das Rollen werden die Handinnenflächen massiert. Das bringt Energie. Wobei der Effekt ehrlich gesagt nicht mit einem starken Espresso mithalten kann. Aber vielleicht fehlt es dem Besucher aus dem Westen auch einfach an der notwenigen Sensibilität. Der geübte Trinker nimmt nun die Schälchen mit dem Tee zwischen Daumen und Zeigefinger, der Mittelfinger stützt von unten. Und ganz wichtig: die Männer winkeln den kleinen Finger an, ein Symbol für Kraft. Die Damen spreizen den kleinen Finger, um ihre natürliche Grazie zu unterstreichen. Der Tee wird in drei Schlucken ausgetrunken (Schmecken). Eine richtige Herausforderung, denn besonders wenn der Tee brühwarm ist verbrennt man sich leicht die Zunge oder leert das kostbare Nass mit maßloser Gier gleich in einem Zug. Nachdem das Schälchen geleert ist wird tief durchgeatmet (Atmen). Der Geschmack des Tees breitet sich in der Mundhöhle aus und eine tiefe innere Ruhe durchströmt den Teetrinker. Tee wird in China nicht nur wegen seines Geschmacks getrunken. Er fördert auch die Gesundheit. Verallgemeinernd lässt sich sagen, je fader oder bitterer der Tee, desto beeindruckender seine Heilkräfte. Von Husten bis Fettleibigkeit, von pickligem Ausschlag bis Bluthochdruck. Ob Bayer mit seinem Aspirin in China noch Gewinne machen kann? Einige Teesorten sind besonders gut für die Sehkraft und die Haut. Der Tee-gläubige Trinker nimmt die Riechbecherchen und reibt sie über Stirn, Backen und Augen. Er wird fortan keine Brille mehr brauchen. Auch auf Botox kann getrost verzichtet werden.
In China gibt es unzählige Sorten Tee. Selbstverständlich werden alle ohne Milch und Zucker genossen. Wer es gerne süß mag, sollte einen Oolong Tee probieren. Nach den drei Schlucken bleibt ein süßer Nachgeschmack im Mund zurück. Ein Tee für Kenner ist der erdige Pu-Erh Tee. Wie Rotwein gewinnt er mit dem Alter an Qualität. Der berühmteste Grüntee ist der Long Jing Tee oder Drachenbrunnen Tee. Er kommt aus dem Dorf Longjing. Die teuerste Variante wird auf einer 150m² großen Teeplantage angebaut und muss Ende März bis Anfang April geerntet werden. Wer auf Äußerlichkeiten achtet, dem wird der Kunsttee (Gong Yi) am besten gefallen. Weißer oder grüner Tee wird von Hand zu einer kleinen Kugel gebunden. Im Wasserglas öffnet sich die Kugel und heraus wächst eine Blüte. Ein wunderbares Schauspiel, bei dem der Geschmack zur Nebensache wird.