Eines schönen Samstags beim ausgedehnten Frühstück fiel meiner britischen Mitbewohnerin Izzy auf einmal der Löffel aus der Hand. "Shit! I need skipants!" -Ihr war glühend heiß eingefallen, dass sie für unseren Ausflug zum Skiresort in Nanshan am nächsten Tag unbedingt noch Skihosen bräuchte. So kurz vor knapp sah es mit einem gründlichen Vergleich der Angebote natürlich schlecht aus, zumal es schon auf 13:00 Uhr zuging. Mein Vorschlag, einfach ein Paar Hosen vor Ort auszuleihen, wehrte Izzy entschieden und außerordentlich wortreich ab. Die zusammengefasste und höflich formulierte Übersetzung ihres Argumentenschwalls wäre wohl: "Ne! Wer weiß, was die Leute vor mir da drin schon alles gemacht haben!"
Pekings Hallen und Märkte
Solcher Logik konnte ich nichts entgegensetzen. Natürlich war Izzy außerdem fest entschlossen, sich trotz knapper Zeit auf keinen Fall in Unkosten zu stürzen. Ein Plan musste her. Denn es ist unglaublich leicht, sich in Pekings Menschenmassen, Einkaufshäusern und verwinkelten Märkten zu verlieren, die Zeit zu vergessen und am Ende zwar begeistert und mit vielen neuen Eindrücken, aber auch mit gänzlich leeren Händen da zu stehen.
Wir mussten also einen Ort aufsuchen, der ein solch breitgefächertes Sortiment anbot, dass damit selbst einer anspruchsvollen Engländerin genüge getan wäre. Nach ein paar Anrufen bei erfahreneren und vermeintlich Peking-gewieften Ratgebern fiel schließlich die Entscheidung: Auf zum Yashow-Markt in Sanlitun!
Der Yashow Markt: Ein City-Basar
In dem fünfstöckigen Gebäude mitten im Chaoyang-Distrikt können Sie von angeblicher Markenware zu Spottpreisen bis hin zu teuren Stoffen wie Seide und Kaschmir alles finden. Vor langer Zeit als Kleidermarkt gegründet, gibt es heute auf einer Fläche von 2,5 Fußballfeldern nahezu alles zu kaufen: von Schuhen über Musikinstrumente bis hin zu Tee und eben Skikleidung.
Wie nicht anders zu erwarten, war das gesamte Haus bis unter die Decke mit Menschen vollgestopft. Kaum hatten wir uns gegen den herausdrängenden Strom durch die Winterschutz-Vorhänge gequetscht, da waren wir schon von drei mit Trikots beladenen Verkäufern umzingelt: "Tichöööör, chiiiiep!" Sie hatten genug NBA-Trikots auf den Armen, um eine ganze Basketballmannschaft für die nächsten drei Saisons einzudecken. Als wir uns von der Auswahl unbeeindruckt zeigten, fiel der angebotene Preis von 100 Yuan (ca. 10 Euro) pro Shirt schon gleich auf 70.
Theorie und Praxis
Aber Izzy und ich waren ja auf einer Mission. Wir schoben uns an den weiterhin in Chinglish (der interessanten Mischung aus Chinesisch und Englisch) brabbelnden Verkäufern vorbei. Prinzipiell war das Vorhaben klar. Schritt 1: Finde eine passende Skihose! Schritt 2: Verschmähe das Objekt der Begierde in einer auffällig großen Geste mit dem Hinweis auf den exorbitanten Preis. Schritt 3: Feilsche mit den gewitzten Verkäufern bis zur absoluten Schmerzgrenze und verhandle den Preis so weit wie möglich nach unten. Dann wahlweise einen Luftsprung machen oder einen kleinen Tanz aufführen.
-Beherrschen Sie dies perfekt, können Sie sich schon fast als waschechten Pekinger sehen. Hoffentlich stellen Sie nicht wie wir im Nachhinein fest, dass Sie trotz des 50-prozentigen Preisnachlasses übers Ohr gehauen wurden. Verhandeln will nämlich gelernt sein! Nichts in der Welt hätte uns allerdings auf die junge Verkäuferin vorbereiten können, an deren Stand es uns an diesem Samstag verschlug.
Alles Verhandlungssache
"Oooh! Hübsche Mädchen! Hose passt soooo gut zu dir! Du verheiratet?", fragte das Mädchen Izzy in überraschend flüssigem Englisch, nur eine gefühlte Sekunde nachdem wir den ersten Blick auf eine knallrote Skihose geworfen hatten.
Izzy konnte gerade noch erstaunt die Augen aufreißen, da wurde sie auch schon mit den vereinten Kräften von drei Verkäufern in die Hose bugsiert, mit Wasser begossen und an den Bruder des Mädchens verscherbelt: "Du kommst zu Besuch heute Abend, ja? Mein Bruder mag English Girls wie dich! Hose steht dir perfekt, super Material, wasserfest, Markenprodukt! Nur 2.000 Yuan!"
Dass 200 Euro zu viel für diese Hose waren, konnten unsere schon eingelullten Hirne gerade noch denken. Doch der nicht abreißende Schwall von Komplimenten und Anpreisungen spielte erbarmungslos mit unserer Unsicherheit. Trotz des Windens und Wimmerns der jungen Meisterverkäuferin brachte Izzy den Preis auf 1.000 Yuan herunter und schlug lächelnd in die ihr ausgestreckte Hand ein.
Kaum hatten wir uns jedoch umgedreht, dämmerte es uns achon: 100 Euro waren natürlich noch immer viel zu viel für eine mit großer Sicherheit gefälschte Hose, selbst wenn sie so wasserdicht gewesen wäre, dass man in ihr baden könnte. -Lektion gelernt. Wieder ein bisschen straßenschlauer.