China macht mich zu einem anderen Menschen.
In meinen ersten Wochen hier in China wurde mir nahegelegt, sehr geduldig zu sein und die Chinesen nicht zu drängeln. Da könnte man schon davon ausgehen, dass Chinesen selbst sehr geduldig sind, richtig? Falsch.
Mein Taxifahrer schaffte es letzte Woche, im schlimmsten Rush-Hour-Verkehr innerhalb von fünf Minuten zehnmal die Spur zu wechseln. Ja. Zehnmal. Bei dem Versuch, die schnellste Spur zu finden, manövrierte er das Auto von ganz rechts auf die am weitesten links liegende Spur, nur um dann festzustellen, dass die Autos auf der rechten Seite doch schneller fuhren... Murphy's Gesetz.
Zwischenbilanz
Aber ich fange auch an, mich anzupassen. Nachdem ich anfangs etwas über das brüske Verhalten der Pekinger geschockt war, schiebe ich mich nun selbst recht forsch durch die Menschenmassen und lasse mich nicht mehr von niedlich aussehenden alten Damen täuschen.
Ich wundere mich nicht mehr (oder verstecke es zumindest besser) wenn 4-jährige Mädchen wie verkitschte Fotomodels für die Kamera posieren.
Ich bin nicht mehr beleidigt, wenn eine Verkäuferin auf meinen Hintern zeigend sagt: “Du bist da ein bisschen zu dick” – erstens weil ich gerne das Gegenteil denke und zweitens weil sich beim chinesischen Schönheitsideal für Frauen angeblich alles um die 50kg Grenze dreht. Bei 1,76m Körpergröße nicht empfehlenswert. Und darauf schiebe ich es jetzt mal. Chinesische Verkäufer sind eben sehr direkt.
Anstatt in der Caféteria auf Arbeit in sehr langsamem Englisch oder mit “Wo kafei” (Ich Kaffee) meiner Kaffein-Sucht nachzugehen, versuche ich es jetzt mit „Yi ge kafei“ (Einen Kaffee) und bilde mir ein, dass ich die chinesischen Töne halbwegs treffe. Zumindest amüsiert sich die Kaffee-Dame immer köstlich über meine Bemühungen und hilft mir beim Bezahlen dabei, das Zählen in Chinesisch zu lernen.
Arbeitseinstellung
Es überrascht mich allerdings immer noch hin und wieder, wenn meine Chinesischen Kollegen einer nach dem anderen auf ihre Tische fallen und ihren 15-minütigen Mittagsschlaf halten. Als wäre der Sandmann mit Schlafsand vorbeigekommen. –nicht, dass ich dagegen bin. Ich finde, jedes Büro sollte eine „Nickerchen-Regel“ haben.
Statt nach dem Mittagessen für Stunden mit der Müdigkeit und Trägheit zu kämpfen, sollte einfach jeder Arbeitnehmer für 15 Minuten zum Schlafen geschickt werden. Das hebt die Produktivität und lässt uns viel besser arbeiten. Kein Wunder, dass Chinas Wirtschaftswachstum so boomt!
Verführungen
Allerdings könnte das auch an meinem Einkaufsverhalten liegen. Das hat sich nämlich immer noch nicht auf China eingestellt. Kennen Sie dieses typische Urlaubsdenken, bei dem man sich „belohnt“ und interessante Dinge zu viel zu teuren Preisen kauft, weil man ja nur einmal da ist? ...genau. Nach drei Monaten macht sich das auf dem Konto bemerkbar.
Wenn in Peking, braucht man (also ich) natürlich ein Fahrrad. Das weiß nicht nur Katie Melua. Ich habe mir aber nicht irgendein Fahrrad gekauft, nein. Weil hier in Peking momentan der Hype um die bunten „Fixie-Bikes“ so groß ist, wollte ich mir die verrückten Stilisten im Fahrradladen Natooke in der Nähe vom Lama Tempel einfach mal ansehen. Zwei Stunden später verließ ich den diesen um einiges ärmer, weil die deutsche (!) Chefin des Ladens, Ines, eine großartige Verkaufstechnik hat: Sie lässt Mädchen schöne Farben aussuchen.