Ein Auslandsaufenthalt nach dem Abitur gehört für junge Deutsche heutzutage zum Lebenslauf wie früher ein Ferienjob im Supermarkt. Man muss längst kein Abenteurer mehr sein, um den Schritt hinaus in die Welt zu wagen. Mit einem Auslandspraktikum in China sorgt man aber auch heute noch für Staunen. Denn Verständigung auf Englisch, westliche Touristen und Bekanntes aus der Heimat sucht man in China vergebens. Hier müssen noch Hände und Füße, sowie eine große Portion Neugier bemüht werden. Wir haben ein paar Erfahrungsberichte gesammelt.
Philip Neumann war schon immer Asienfan. Nach dem Abitur stand deshalb für ihn fest: ein längerer Aufenthalt in China muss her. Er beauftragte deshalb die Bonner Jugendaustauschorganisation Stepin mit der Vermittlung eines Praktikumsplatz, denn: „Sowas auf eigene Faust zu organisieren ist unheimlich kompliziert bis nahezu unmöglich.“
Und es klappte: Sein Arbeitgeber war niemand geringeres als der chinesische Staat selbst. Zu seinen täglichen Aufgaben gehörte es, die offizielle Website für Ausländer der Regierung zu gestalten. Er führte also nicht wie viele Touristen in China ein abgeschottetes Leben als Europäer, sondern war mittendrin in der chinesischen Gesellschaft. Auch seine Freundin Amber lernte er hier kennen. Die Chinesin plant nach einem gemeinsamen Projekt mit Philip ins Ausland zu gehen, am liebsten nach New York.
Auch Philip möchte nicht einfach wieder nach Deutschland zurück. Sein Traum ist der Studiengang „Chinesisch und internationale Politik“ in England oder Australien. Seine Zeit in China wird er wohl nie vergessen.
Auch Hanna Dressen wollte das Reich der Mitte einmal selbst kennen lernen – bei einem Teach and Travel Aufenthalt in China. Sie startete mit einem Sprach- und Lehrkurs in Peking. Denn mit Englisch kommt man in China nicht sehr weit, immerhin sind europäische Touristen hier immer noch eine Rarität. „Beijing ist ein riesengroßes Abenteuer! Jeden Tag so viel Neues und Spannendes!“ erzählt Dressen. Aber ihr Abenteuer birgt auch große Herausforderungen. Zu ihrem Programm gehört, Kindergartenkindern Englisch beizubringen. Ein schwieriges Unterfangen, wenn man selbst die Sprache der Kinder nur leidig beherrscht. Aber davon lässt sich Hanna nicht abhalten.
Jeden Morgen übt sie mit dem gesamten Kindergarten auf dem Schulhof ihr „Sunshine English“. „Jeden Tag stehe ich um 10.10 Uhr auf dem Schulhof, ein Mikro in der Hand. Vor mir 200 Kinder, 40 Lehrerinnen“, dann wird mit den Füßen gestampft, sich im Kreis gedreht und so weiter. Die Kinder sind begeistert von ihrer Lehrerin.
In den ersten Tagen war das nicht immer so. Hanna bekommt gleich die jüngsten Kinder, zwei- und dreijährige und die sind es noch nicht gewohnt, unterrichtet zu werden, schon gar nicht von einer Europäerin: „Die Kleinen hatten ihren ersten Tag, alle haben geweint, die Gesichter tränenüberströmt, rüttelten an den Türgriffen und schrien ‚mama baba‘. Hier sollte ich also meine ersten zwei Stunden verbringen. 120 sehr sehr anstrengende Minuten… Die Kinder haben Angst vor mir. Sie haben noch nie einen Europäer gesehen und jedes Mal, wenn ich mich zu einer Gruppe an den Tisch setze, laufen alle davon.“
Doch schon am dritten Tag hatte Hanna den Dreh raus, die Kinder lieben sie. „Langsam werde ich sicherer darin, die Kinder permanent bei der Stange zu halten, und es macht sogar Spaß. Werden sie unruhiger wird direkt eine Runde ‚Incy Wincy Spider‘ dazwischengeschoben und alle sind wieder dabei“, schreibt Hanna in ihrem Blog. Kleine Kinder erfreut man eben überall auf der Welt auf gleiche Weise.