Die Kunstszene Shanghai bebt, vibriert und wächst unaufhaltsam - und steht der Pekinger Kunstwelt mittlerweile in nichts mehr nach. Gerade in den letzten Jahren schossen neue Museen und Galerien in Shanghai wie Pilze aus dem Boden.
Die Szene ist bunt, abwechslungsreich und reicht von Bronze-Kunst aus der Qing-Dynastie über Propaganda-Kunst aus den 50er Jahren bis hin zu zeitgenössischer Installationskunst. Wer einmal intensiv Shanghaier Kunstluft schnuppern möchte, sollte sich mindestens ein verlängertes Wochenende Zeit nehmen.
Die Klassiker: Shanghai Museum, China Art Museum
Um einen guten Überblick über die traditionelle, moderne und zeitgenössische chinesische Kunst zu bekommen, sollte man mit den Klassikern beginnen: den größten und ältesten Kunstmuseen Shanghais.
Traditionelle Kunst: Shanghai Museum
Das Shanghai Museum wurde bereits 1952 gegründet und beherbergt eine Sammlung von über 120.000 Objekten. Darunter befinden sich Bronze-Stücke, Keramiken, Münzen, Gemälde und wunderschöne Kalligraphien aus unterschiedlichen Epochen. Seit 1996 ist es direkt am People’s Square angesiedelt. Aufgrund seiner langen Tradition und hohen Qualität wird das Museum auch als Chinas „Erstes Museum auf Weltklasse-Niveau“ bezeichnet.
Das größte Kunstmuseum Asiens: China Art Museum
Für die Expo 2010 bauten die Chinesen auf der anderen Seite des Huangpu-Flusses in Pudong einen riesigen China-Pavillion. Nach Ende der Expo war dieser Pavillon einer der wenigen, der auch langfristig stehen bleiben durfte. Doch was macht man mit so einem riesigen Gebäude nach Ende der Weltausstellung? Richtig! Man baut Asiens größtes Kunstmuseum!
Das China Art Museum ist seit Oktober 2012 der Nachfolger des Shanghai Art Museums, das bis Ende 2012 im People’s Park angesiedelt war. Das neue Museum ist mit seinen 14.000 Kunstwerken rund zehn mal größer als sein Vorgänger und bietet einen guten Überblick über die moderne chinesische Kunst seit Ende des 19. Jahrhunderts.
Zeitgenössische Kunst: MOCA Shanghai, Rockbund Art Museum, Long Museum
Nachdem man einen guten Überblick über die chinesische Kunst von der Kaiserzeit bis heute erhalten hat, lohnt es sich, bei den kleineren Kunst-Institutionen vorbeizuschauen. Gerade in den letzten Jahren haben in Shanghai eine Reihe von interessanten Museen für zeitgenössische Kunst eröffnet.
Kunst im Gewächshaus: MOCA Shanghai
Wer den lebhaften People’s Park in Shanghai besucht, sollte am Museum of Contemporary Art (MOCA) nicht vorbeilaufen. Das 2005 gegründete Museum war die erste unabhängige Institution für zeitgenössische Kunst in Shanghai und ist spezialisiert auf chinesische und internationale zeitgenössische Kunst.
Es bietet zahlreiche Wechselausstellungen im Bereich Kunst, Design und Fashion. Eine Besonderheit ist auch die Architektur des Gebäudes: Es besteht komplett aus Glas und ist ein Nachbau eines im People’s Park angesiedelten ehemaligen Gewächshauses.
Außergewöhnliche Ausstellungen: Rockbund Art Museum
Das Rockbund Art Museum (RAM) ist ein noch recht neues Museum für zeitgenössische Kunst in der Nähe des Bunds. Das ehemalige Gebäude der britischen Gelehrtengesellschaft „Royal Asiatic Society“ beherbergte auch schonmal das oben beschriebene Shanghai Museum.
2007 wurde der britische Architekt David Chipperfield für die Umgestaltung des Gebäudes beauftragt. Seine vergangenen Projekte beinhalten auch die Planung der Museumsinsel in Berlin. Das vierstöckige Rockbund Art Museum bietet zeitgenössische Kunst wechselnder chinesischer und internationaler Künstler. Das Besondere: Es gibt keine ständige Ausstellung. So kann man sich bei jedem Besuch aufs Neue überraschen lassen.
„Eine Stadt, zwei Museen“: Long Museum
Das Long Museum bildet mit seinen beiden Standorten in Pudong und Puxi eine Brücke zwischen den beiden Teilen östlich und westlich des Huangpu-Flusses. Hier können Besucher die größte öffentlich ausgestellte Privatsammlung Chinas bewundern: Die Kunstwerke der bekannten Sammler Liu Yiqian und seiner Frau Wang Wei beinhalten sowohl „rote Klassiker“ als auch zeitgenössische asiatische und europäische Kunst.
Die Außergewöhnlichen: M50, Tianzifang, Propaganda Art Center
Auch außerhalb von großen Ausstellungsräumen und Institutionen kann man sich von außergewöhnlichen Kunstprojekten und -orten in Shanghai beeindrucken lassen. Die folgenden Schmuckstücke sollte man dabei auf keinen Fall verpassen.
Das Künstlerviertel: M50
Wer das Pekinger Künstlerviertel „798“ liebt, wird sich auch in Shanghais Äquivalent verlieben: In der 50 Moganshan Road, auch „M50“ genannt, befindet sich das Gelände einer ehemaligen Textilfabrik. Angezogen von den billigen Mieten siedelten sich hier seit dem Jahr 2000 zahlreiche Künstler an. Und so wandelten sich die ehemaligen Lagerhäuser und Fabrikhallen im Laufe der Zeit zu Kunstgalerien und Ateliers, in denen einige von Shanghais bekanntesten Künstlern arbeiten.
Aber auch das Gelände selbst ist einen kleinen Spaziergang wert: Der industrielle Charme, die zahlreichen Graffitis und ein kleines Café laden zum Verweilen ein. Zwar ist das Viertel um einiges kleiner als das berühmte Pekinger Viertel 798, dafür aber auch weniger kommerzialisiert.
Handwerkskunst und Kaffee: Tianzifang
Zeit für eine Kaffeepause! Die Nachbarschaft um die Taikang Road in der French Concession bietet sich für eine kleine Verschnaufpause an. Die labyrinthartigen kleinen Gässchen sind voll von kleinen Handwerksläden, Cafés und Kunstgalerien.
Die Nachbarschaft wurde in den 1930er Jahren in der traditionellen Shikumen-Architektur, welche westliche und chinesische Stilelemente miteinander kombiniert, erbaut. 2006 sollte sie eigentlich abgerissen werden. Anwohner, lokale Geschäftsleute und Künstler wehrten sich aber dagegen. Seitdem wurde das Gebiet saniert und zieht sowohl lokale als auch internationale Kunstliebhaber, sowie zahlreiche Touristen an. Zwar ist das Gebiet schon sehr kommerzialisiert. Dennoch konnte der Charme der traditionellen Shikumen-Nachbarschaft erhalten bleiben. Ein Besuch lohnt sich also in jedem Fall. Aber Achtung! Gerade an Wochenenden kann es in Tianzifang sehr voll werden!
Kommunistische Kunst: Propaganda Art Center
Das Propaganda Art Center ist das wohl unscheinbarste Museum Shanghais. In der Nähe der Französischen Konzession liegt es versteckt im Keller eines gewöhnlichen Wohnhauses. Deshalb ist es etwas schwer zu finden. Aber keine Sorge: Ein freundlicher Wächter zeigt gerne den Weg! Das Museum umfasst insgesamt etwa 5000 Original Propaganda-Poster aus der der Mao-Zeit. Hauptsächlich kann man hier Poster aus den Zeiten der Hochphase der Kulturrevolution in den 60er und 70er Jahren betrachten.