Wagner auf Chinesisch - Kunqu oder die Kun-Oper

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Jeder, der sich schon einmal mit der traditionellen Musik in China befasst hat, ist auch auf die chinesischen Regionalopern gestoßen. Und ab und zu finden auch in Deutschland Aufführungen statt. Meine erste chinesische Oper habe ich in Düsseldorf gesehen. Es ist bestimmt schon 8 Jahre her, dass wir als Vorbereitung für unseren Schüleraustausch mit China an einer Probe teilnehmen durften. Ich erinnere mich aber leider nicht mehr daran, um was für eine Art der chinesischen Oper es sich handelte. In China geht man nämlich nicht zu Don Giovanni und zur Aida sondern in die einzelnen Regionalopern. Viele Regionen Chinas haben im Laufe ihrer Geschichte ihre eigenen Opern hervorgebracht. Die bekannteste ist sicherlich die Peking-Oper. Dabei ist sie nicht die älteste Regionaloper und wurde durch andere beeinflusst. Maßgeblich war es die Kunqu – die Kun-Oper.

Die Mutter aller Opern?

Sie ist vielleicht nicht die Mutter aller chinesischen Opern, aber sie ist eine der ältesten und war im Laufe der Entwicklung der chinesischen Oper immer eine der einflussreichsten. Ihr Beginn lässt sich auf das 14. Jahrhundert datieren. Während der Ming-Dynastie soll Wei Liangfu die Gesangstechnik der Kun-Oper entwickelt und sich dabei an den Gesängen Kunshans orientiert haben. Nach der Historie, hat sich Wei Liangfu, Opernsänger der Nordchinesischen Oper, in Kunshan (Provinz Jiangsu) niedergelassen und dort die Kunshan-Oper reformiert. Aus der traditionellen Kunshan-Oper wurde mit einigen Elementen der Nordchinesischen Oper die Kun-Oper. Zhang Yetang, bekannter Instrumentenbauer für Instrumente der Nordchinesischen Oper, entwarf neue Instrumente für die Kunqu.

Im 17. Jahrhundert erfuhr sie dann eine tiefgreifende Reform. Man wollte sie an die Tonalität des Wu-Dialekts anpassen. Der Dialekt, der in der Region westlich und südlich von Shanghai gesprochen wird. Hier liegt auch Kunshan – genau zwischen Shanghai und Suzhou. Eine Stadt, die es bis heute gibt.

Weich, taktvoll und streng

Jede der Regionalopern in China besticht durch ihre Eigenheiten. Während die traditionelle Sichuan-Oper neben teils vorbereiteten Texten und Musik auch auf Improvisation und Humor setzt, stehen Strenge, Akkuratesse und dennoch weiche musikalische Klänge für die Kunqu. Dafür haben es die Texte in sich. Meist anspruchsvoll werden sie sehr langsam gesungen, was es für den Laien schwer verständlich macht. Anders als bei anderen Regionalopern ist bei der Kunqu auch das Bühnenbild exakt vorgegeben. Und auch die Choreographie weißt einige Besonderheiten auf. Zwar gibt es in allen Opern Tanzelemente, die ziehen sich aber nicht durch das ganze Stück hindurch. Anders als bei der Kun-Oper. Hier erstreckt sich die Choreographie über die gesamte Länge. Und die kann lang sein.

Chinas Wagner

Viele bekannte chinesische Theaterstücke wurden ursprünglich für Kunqu geschrieben oder wurden durch diese adaptiert. Der Päonien-Pavillon, eines der großen chinesischen Opernstücke, wurde speziell für Kunqu geschrieben. Eine romantische Liebesgeschichte mit Happy End, die in der Song-Zeit spielt. Das opulente Werk mit einer Gesamtdauer von etwa 19 Stunden schlägt sogar den Opernzyklus Wagners: Der Ring der Nibelungen. Aber auch Der Fächer mit den Pfirsichblüten von Kong Shangren ist für Kunqu verfasst. Andere Klassiker, wie Die Räuber vom Liangshan-Moor, Die Reise in den Westen und Die Geschichte der Drei Reiche, wurden bereits sehr früh für die Kunqu adaptiert.

Es muss aber auch nicht immer gleich der Koloss sein. Egal, um welche Regionaloper es sich handelt, sie werden auch auf den Straßen Chinas gespielt. Chinas Leben findet noch viel mehr vor der eigenen Haustür statt als bei uns. Ich kann nicht genau sagen, um welche Oper es sich handelte, aber ich erinnere mich ganz gut, wie ich vor einigen Jahren in Xi’an, es war bereits dunkel, nach dem Abendessen noch einen kleinen Spaziergang durch die Stadt unternommen habe. Plötzlich erschallten von einem Platz in einem kleinen Park die Geräusche typischer chinesischer Instrumente. Oft haben sie für die deutschen Ohren etwas leierhaftes. Um eine Hand von Laiendarstellern versammelten sich vornehmlich ältere Chinesen und lauschten der scheinbar spontanen Aufführung. Denn auch wenn die Kunqu ursprünglich aus der Region um Suzhou kommt, wird sie heute im ganzen Land gespielt.

Kunqu als Politikum

Bis heute werden Kun-Opern aufgeführt. Dass diese überlebt hat, ist aber auch beherzten Darstellern der Peking-Oper zu verdanken. Einst von ihr gelernt, hat die Peking-Oper wieder dafür gesorgt, dass die Kun-Oper aus der Versenkung hervortrat. Mit der Qing-Dynastie verlor die Kun-Oper deutlich an Zuspruch und verabschiedete sich immer weiter in die Bedeutungslosigkeit. Nach der Chinesischen Revolution und dem Ende der Qing-Dynastie kamen auch die Regionalopern wieder. Dieses Mal aber auch mit einem anderen Auftrag. Sie dienten nicht mehr rein der Unterhaltung, sondern sollten auch erziehen. Die Kommunisten unterstützten auch die Kunqu finanziell und es wurden nicht nur Unterhaltungsstücke, sondern auch politische Stücke gezeigt.

Mit der Kulturrevolution verschwand sie, wie auch viele andere kulturelle Güter, wieder in der Verbannung. Man wollte schließlich mit der alten Kultur brechen.

Kunqu heute

Inzwischen wird sie wieder gespielt und gehört. Immer mehr Chinesen fangen an, sich wieder ihrer Wurzeln zu erinnern. Nicht nur die Kunqu erlebt ihr erneutes Comeback, sondern auch anderen Regionalopern oder auch chinesischen Philosophen wie Konfuzius wird in China wieder Beachtung geschenkt.

Und es geht um den Erhalt der traditionellen chinesischen Oper.  2001 wurde die Kun-Oper in die UNESCO-Liste des mündlich überlieferten und immateriellen Erbes der Menschheit aufgenommen. Aber auch in China widerfuhr ihr bereits große Ehrung, indem sie in die Four Great Characteristic Melodies aufgenommen wurde.

Warum sollte man sich die Kunqu und andere Regionalopern anschauen, auch wenn man sie nicht versteht? Weil sie Teil der chinesischen Kultur und Tradition sind. Musik spielt in China eine wichtige Rolle und so auch die Oper. Ein Besuch einer Kunqu kann also nicht schaden und es müsste ja auch keine 19 Stunden sein. Meist werden Zusammenfassungen gezeigt oder die Gesamtlänge ist auf mehrere Abende aufgeteilt.

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