Je tiefer wir in den letzten Wochen ins Herz Chinas vorgedrungen sind, desto weniger Westler haben wir auf der Straße gesehen. Jetzt, wo es aus der armen Binnenprovinz Henan Richtung Norden geht, tauchen zwischen all den schwarzen, glattfrisierten Köpfen auch wieder vereinzelte blonde und braune Haarschöpfe auf. Shanxi kommt mir irgendwie „luftiger“ vor als Henan, nicht so brütend heiß und stickig.
In Pingyao wurde versucht, eine Stadt der Ming- und Qing-Dynastie vollständig zu bewahren – mit Tempeln, Stadtmauern und alten Residenzen. Mit am schönsten sind der daoistische Stadtgott-Tempel (erbaut zur Verehrung des Schutzgottes der Stadt) und der Konfuzius-Tempel in unmittelbarer Nähe. Ebenfalls sehenswert ist das kleine Zeitungsmuseum, in dem man alte chinesische Zeitungen und sogar Zeitungen in verschiedenen Minderheitensprachen bewundern kann.
[gallery columns="2" link="file" ids="46890,46891"]
Das Feng Shui der Ernährung
Um ein Stück echte Shanxi-Küche zu erleben, verlassen wir die Altstadt und suchen uns außerhalb der Stadtmauern von Pingyao ein weniger touristisches Restaurant. In Shanxi gilt die Devise „Alles mit Essig“ – egal ob Fleisch, Nudeln oder Gemüse, alles wird mit dem sauren Gewürzmittel „verfeinert“. „Sauer“ ist eine der fünf traditionellen Geschmacksrichtungen der chinesischen Küche und kann auch mit der Philosophie des Feng Shui kombiniert werden: es steht für das Element Holz und bewirkt eine Zusammenziehung der Flüssigkeiten im Körper. So wirkt es positiv auf Leber und Gallenblase.
Im Übrigen können die fünf Geschmacksrichtungen und die fünf Elemente auch mit den chinesischen Tierkreiszeichen in Verbindung gebracht werden. So wird meinem Tierkreiszeichen Schaf die Geschmacksrichtung „süß“ und das Element „Erde“ zugeordnet. Bei der Recherche im Internet entdecke ich, dass ich dem Element Erde in meiner häuslichen Umgebung am besten noch das Element „Holz“ hinzufügen sollte (denn die Wurzeln der Bäume „kontrollieren“ die Erde). Es heißt, man soll „im Norden des Büros ein Objekt aus Mahagony aufstellen und dort etwas hineinlegen, das mit seinem Beruf zu tun hat“. Und was steht an der Nordwand meines Zimmers? Der Mahagony-Schreibtisch, an dem ich gerade meinen Artikel schreibe! Das gibt Feng Shui-mäßig auf jeden Fall 100 Punkte.
Hofhaus der Familie Wang
Mit dem Element „Holz“ bin ich aber auch in Pingyao goldrichtig, denn dieses Element dominiert definitiv die Stadt und die Sehenswürdigkeiten in seiner Nähe. So auch beispielsweise das Hofhaus der Familie Wang, das wir am zweiten Tag unseres Aufenthalts in Pingyao besichtigen. Die Fenster und Giebel dieser alten Hausanlage sind mit unzähligen zierlichen Schnitzereien verziert. Doch Vorsicht, in dem labyrinthischen System ineinander verschachtelter Innenhöfe kann man sich leicht verirren, deswegen besser zusammenbleiben!
Auch die Besichtigung der Stadtmauer lohnt sich, denn von oben hat man einen schönen Blick über die Wohnanlage. Und erspäht vielleicht auch eine der traditionellen Höhlenwohnungen, die es in der Nähe immer noch gibt.
Zhuangbi-Festung
Am Nachmittag geht`s weiter zur Zhuangbi-Festung, eine 1.400 Jahre alte unterirdische Festung mit dem längsten Höhlensystem in ganz China. Kaum zu glauben, dass hier früher massenweise Soldaten und sogar Pferde durchmarschiert sind! Wenn man nur ein bis zwei Tage in der Gegend verbringt, lohnt sich der Besuch der Festung jedoch nur bedingt – außer den unterirdischen Gängen gibt es nämlich nicht viel zu sehen. Ein kleines Highlight sind noch die Schattentheateraufführungen, die im Dorf Zhuangbi Cun über dem Tunnelsystem stattfinden.
Wer von gutem Feng Shui profitieren will, sollte bei der Reise durch Shanxi auf jeden Fall in Pingyao Halt machen. Schließlich ist es eine der wenigen alten Städte, die noch nach diesem daoistischen Prinzip errichtet wurden. Von oben gesehen bilden die Stadtmauern den Umriss einer Schildkröte; das Nordtor soll den Schildkrötenschwanz darstellen. Die guten Schwingungen sind vielleicht auch ein Grund, wieso viele Pärchen sich den Ort für ihre Hochzeit aussuchen.
Nützliche Informationen
Absolute Übernachtungsempfehlung: Eines der traditionellen Hofhäuser in Pingyao, zum Beispiel das Pingyao Laochenggen Inn, NO.2 Beisixiang West Beihai Street. Zum günstigen Preis bekommt man hier ein sehr schönes Zimmer mit traditioneller Ausstattung. Ein Highlight: Die hübschen gemauerten Ofenbetten mit Baldachin und Schnitzereien, in denen es sich schläft wie in einem Prinzessinnenbett.