Shanxi, das sich selbst oft gern als die Wiege der chinesischen Kultur bezeichnet, kann zumindest in Sachen buddhistischer Kunst mit einigen Highlights aufwarten. Immerhin befindet sich hier der Wutai Shan, einer der vier heiligen Berge des Buddhismus, der zahlreiche Klosteranlagen beherbergt. Aber auch diejenigen, die sich nicht in solche Höhen wagen wollen, können in Shanxi buddhistische Meisterwerke bestaunen.
Der Shuanglin-Tempel
So beispielsweise den Shuanglin-Tempel in der Nähe von Pingyao. Dieses Tempelgelände mit seinen vergleichsweise wenigen Besuchern strahlt eine meditative ehrfurchtgebietende Ruhe aus. Vergleichen kann man sie im Westen etwa mit gotischen Kirchen. In den einzelnen Gebäuden kann man fein ausgearbeitete Tonfiguren und Reliefs bestaunen. Jene sehen aus wie lebendige Gemälde. Da gibt es klassische Buddha-Figuren. Die Boddhisatvas (Anhänger Buddhas auf dem Weg zur Erleuchtung) und Arhats (Anhänger Buddhas, der das Nirwana bereits erreicht hat). Bei den meisten Figuren kann man noch die ursprüngliche farbenprächtige Bemalung erkennen. Diese benötigen jedoch in vielen Fällen besseren Schutz und auch mal wieder eine Restauration.
Ein weiteres Merkmal, sind die farbenprächtigen Bäume, Blätter und Blume die die Figuren umrahmen und teilweise sogar von der Decke herabhängen. Diese Naturdarstellungen verstärken noch den plastischen Eindruck der Reliefs und erinnern einmal mehr an die prächtigen, epischen Deckengemälde europäischer Kirchen.
Über Buddha und die UFO-Forschung in China
Apropos Kirchen - wie hält es der Buddhismus eigentlich mit Gottesdarstellungen? Wieso wirken viele Tempel so überladen mit Buddha Figuren? Dazu muss man erst einmal sagen, dass Buddha (wie auch die Boddhisatvas und Arhats) den Glaubensanhängern eigentlich nicht als Gott gilt. Er gilt als Mensch, der die Erleuchtung erlangt hat – so ähnlich wie Jesus. Trotzdem werden Buddhas und vor allem Boddhisatvas wie Götter verehrt. Sie sitzen meist in Meditationshaltung in einer Art kreisrundem Nimbus, der in der Luft schwebt – als eine Art „Vermittler“ zwischen Himmel und Erde. Daneben gibt es auch noch „echte“ Götter. Diese schauen zum Teil furchterregend aus.
Da kommen mir doch auch gleich wieder ein paar Autoren in den Sinn, mit denen ich mich in letzter Zeit (kritisch) beschäftigt habe. Sie suchen in den Resten alter Kulturen nach Zeichen dafür, dass die Menschen schon früh von Außerirdischen besucht wurden. So hätte Peter Krassa, einer dieser „Forscher“ und glühender China-Fan, mit Sicherheit argumentiert, dass die schwebenden Nimben, in denen die Boddhisatvas sitzen, nichts anderes als UFOs sind, in denen die Götter zur Erde schwebten. Davon kann man halten, was man wil. Doch allein diese Statuen mit einem solchen gedanklichen Hintergrund zu betrachten, ist schon sehr faszinierend.
Übrigens ist die UFO-Forschung in China keineswegs verpönt. Es gab in den 80er und 90er Jahren sogar eine UFO-Zeitschrift sowie eine „Gesellschaft für Zukunftsforschung“. Dazu trägt wohl auch ein Ereignis bei, das sich 1965 in Peking ereignete: Tausende Menschen beobachteten zwei hell leuchtende, scheibenförmige Objekte, die über die Stadt hinwegflogen. (Die Aliens hätten damit rechnen müssen, dass sie in der Millionenstadt Peking nicht ungesehen herumsausen können.) Natürlich betrachtet man das Phänomen heutzutage auf der ganzen Welt differenzierter. Von geheimen Spionageprojekten bis hin zu seltenen Lichtphänomenen gibt es zahlreiche Erklärungsansätze.
Die Yungang-Grotten - ein Mönch und ein Roboter
Die buddhistischen Mönche wären wohl nicht abgeneigt gewesen, mit mir dieses Thema zu diskutieren, scheinen sie doch gerade in China sehr modern und aufgeschlossen zu sein. Das bemerken wir bei der Besichtigung der Yungang-Grotten, einem weiteren Beispiel für buddhistische Bildhauerkunst. Als wir dort die große Tempelhalle betreten, trauen wir erst einmal unseren Augen nicht: In einer Ecke steht ein Mönch und unterhält sich angeregt ... mit einem Roboter! Der Mönch fordert meine Freundin auf, dem Roboter eine Frage zu stellen – die der dann prompt in blechernem Chinesisch beantwortet. Der Mönch schaut grinsend zu uns. Danach betrachtet er dann wieder entzückt den Roboter, so als ob der gerade aus dem Himmel auf die Erde gekommen wäre. Wie ein Alien. Ein Buddha-Alien, dem orangenen Äußeren nach zu urteilen.
Nachdem wir uns mit dem Mönch auf WeChat angefreundet haben (ja, moderne Mönche nutzen auch Social Media!), setzen wir unseren Weg Richtung Grotten fort. Was für eine seltsame und wundervolle Welt, dieses moderne China!
Die in den Stein gehauenen Statuen sind mit ihren bis zu 17 Metern Höhe wirklich imposant. und sowohl von indischen als auch von griechischen und persischen Einflüssen geprägt. Das sieht man auch zum Beispiel an den dicken Beinen der Feen, die ab und an auch zwischen den Buddha Statuen auftauchen – hier regiert ganz klar das westliche Schönheitsideal.
Das Volk der "Beiwei"
Am hinteren Ende der Grotten steht noch ein interessantes Museum. Das Museum beschäftigt sich mit der Kultur der „Beiwei“ , ein sehr frühes Volk in Nordchina. Die Beiwei waren keine Han-Chinesen, sondern Mongolen. Sie zwangen große Teile Nordchinas unter ihre Herrschaft. Im Museum begegnet mir auch eine alte Heldin aus Kindertagen: Mulan! Laut einiger Quellen war sie eine Angehörige des Beiwei-Stammes. Ihre Existenz selbst allerdings ist umstritten – wahrscheinlich basiert ihre Geschichte wirklich nur auf einer Legende. Doch sie erinnert mich daran, wieso ich mich schon früh für China interessiert habe - weil in der chinesischen Kultur alles Platz hat und oft gleichberechtigt nebeneinander steht: Historisches und Modernes, Fakt und Fiktion, Götter und Aliens, Legenden und Disney.
Weitere Informationen:
Buddhistische Skulpturen kann man übrigens nicht nur in der Provinz Shanxi besichtigen. Ein beliebtes Reiseziel sind auch die Dunhuang-Grotten in der Wüstenprovinz Gansu. Wo auf einer Länge von unglaublichen 25 Kilometern Statuen in den Stein gehauen sind. Oder man macht einen Abstecher in die südliche Nachbarprovinz Henan und schaut sich die beeindruckenden meterhohen Buddha Statuen in den Longmen-Grotten an.