Steht man auf dem Volksplatz im Zentrum Shanghais und blickt sich um, ist man umgeben von einem Wald aus Hochhäusern. Hotels, Finanzgebäude und Wohnanlagen schießen in den Himmel. Im Zentrum der Stadt präsentiert sich Shanghai als moderne Stadt.
Etwa fünf Gehminuten von Stadtverkehr und dicht bevölkerten Gehsteigen bietet sich die Möglichkeit in ein Shanghai einzutauchen, das eigentlich schon ausgestorben sein soll. Alte Wohnviertel formen ein Labyrinth aus Gassen, gerade breit genug zum Gehen. Touristen trifft man hier kaum, dafür nette Chinesen die zum Essen und Majong spielen einladen.
Über die vergangenen Monate strömten Touristen in die Stadt, um die Weltausstellung (Expo) zu besuchen. Für dieses Großereignis hatte sich die Stadt in den letzten Jahren herausgeputzt. Das Expo-Gelände wurde aus dem Boden gestampft, der Bund ist nun in eine schmucke Uferpromenade verwandelt. Es entstanden neue Wohnhäuser, Finanzgebäude und Hotels. Alte Wohnviertel mussten den neuen Gebäuden Platz machen. Vereinzelt war in westlichen Medien von unfairen Grundstücksspekulationen, billigen Abfindungen und Vertreibungen durch Schlägertrupps zu lesen gewesen. Vor allem im Zuge der Olympischen Spiele in Peking, wo in der Hauptstadt viele alte Stadtteile (Hutongs) den fortschrittlichen Ideen der Planungsbüros zum Opfer fielen. Während in Peking die noch bestehenden Viertel ein touristisches Highlight sind, und es in den engen Gassen von ausländischen Besuchern wimmelt, ist man in Shanghai ganz für sich.
Vielleicht vermutet auch niemand, dass inmitten der Finanzmetropole ein gemächliches China sein Dasein fristet und nur hofft, dass niemand auf die Idee kommt, dass hier ein neues Bankgebäude gut hinpassen würde. Dann wird es für die Bewohner wohl recht bald ungemütlich, als Stadtregierung und Investoren an einer raschen Abwicklung interessiert sind. Wer die oftmals unter Wert gebotenen Abfindungen nicht annimmt riskiert sein Leben. Drohungen und Gewalt helfen nach, wo der Starrsinn der Menschen ungebrochen ist. Manchmal schaffen es einzelne Bewohner standhaft zu bleiben, Medien und Politik auf sich aufmerksam zu machen. Am Abriss ändert das nichts, zumindest gibt es mehr Geld.
Im heißen Shanghaier Sommer lässt es sich in den schattigen Gassen gut aushalten. Es gibt kleine Restaurants, und Menschen, die auf der Straße vor ihren Häusern sitzen. Viele plaudern gerne, zumal sich nur wenige Touristen hier her verirren. Wird man eingeladen das Haus zu besichtigen, öffnen sich hinter der Hauswand meist kleine Innenhöfe als grün bewachsene Oasen. Im Erdgeschoss sind Küche und Wohnzimmer, darüber die Schlafzimmer. Ein Höhepunkt ist sicherlich die Dachterrasse. Mit Blick über das Viertel, im Schatten der Hochhäuser.
[gallery link="file"]