Das Frühlingsfest steht bevor und damit einer der wichtigsten Feiertage Chinas. Lile aus Nanjing ist das Fest eigentlich ziemlich egal, im Moment ist er viel zu sehr damit beschäftigt, seine Promotion in Europa vorzubereiten. Dennoch gibt er uns einige Einblicke in die Tradition der Feierlichkeiten.
China Tours Magazin: Wie wichtig ist das Frühlingsfest in China?
Lile: Das Fest hat eine lange Tradition und ist natürlich vielen sehr wichtig. Es ist die Zeit im Jahr, mit der Familie, die über das ganze Land verstreut sind, zusammenkommen. Dabei sind die ersten zwei, drei Tage der einwöchigen Feier die wichtigsten. Das erkennt man schon allein daran, wie viele Menschen in dieser kurzen Zeit unterwegs sind, um zu ihren Familien zu fahren: Es bewegen sich sage und schreibe 600.000.000 Millionen Menschen von A nach B. Eine Größenordnung, die man erst begreifen muss. Manche Länder haben eine Gesamtbevölkerung, die kleiner ist. Das ist doch verrückt.
China Tours Magazin: Dass gerade jetzt zum neuen Jahr Familienbande sehr wichtig sind, hört man oft...
Lile: Das Konzept Familie steht in China schon traditionsbedingt im Zentrum der Gesellschaft. Ein neuer sozialer Trend trägt darüber hinaus aber zur Wichtigkeit des Frühlingsfests mit bei: Viele junge Leute aus kleineren Städten verlassen heutzutage ihre Heimat, um in den großen Metropolen zu studieren und Arbeit zu finden. So sehen sich die Familien fast nie und meist ist Neujahr die einzige Zeit, in der alle zusammenkommen. Das ist auch der Grund, warum ich nach Nanjing fahren werde – meine Eltern liegt das sehr am Herzen.
China Tours Magazin: Und was macht man dann zum Frühlingsfest?
Lile: Essen! Am letzten Tag im Jahr, also in diesem Jahr am 2.2., kommen alle zum Essen zusammen und es gibt ein echtes Festmahl – von allem etwas, Gemüse, Rindfleisch, Hühnchen, Fisch in allen Variationen. Das ist für unsere Generation vielleicht noch nichts Besonderes, viele Städter können ja immer reichhaltig und viel schlemmen. Für unsere Eltern und Großeltern ist das aber ganz anders. Als sie aufwuchsen, war China sehr arm, sie selbst hatten Nichts und konnten sich ein großes Mahl nur zu den Festtagen leisten.
Eine andere Tradition sind die Hongbaos: Rote Umschläge gefüllt mit Geld, welche die Älteren den Jüngeren geben. Eigentlich ist das eher eine Geste, die man gegenüber kleinen Kindern macht, aber in der Regel schenken die Ältesten den Heranwachsenden solange Geld, bis diese selbst verheiratet sind und eigene Kinder haben.
Dieser Brauch hat aber auch Nachteile: Viele Chinesen meinen heutzutage, dass man mit 30 seine eigene Familie gegründet haben sollte – einige haben Angst, danach niemanden mehr abzubekommen. Besonders Frauen werden ganz wahnsinnig, wenn sie noch Singles sind und an ihren 30. Geburtstag denken. Wenn man dann auch noch jedes Jahr solche Hongbaos bekommt und dadurch wie ein Kind behandelt wird, baut das viel Druck auf – ich selbst finde das aber weniger, als Student war das Geld immer sehr praktisch.
China Tours Magazin: Und an den anderen Tagen?
Lile: Am Neujahrstag erwarten die Alten – also Tanten, Onkel, Nachbarn – dass die Jungen zu ihnen kommen und ihnen ein gutes neues Jahr wünschen. Naja, heutzutage macht man das aber meist eher via Telefon.
Besonders bei Paaren stellt sich dann auch noch die Frage, ob man die Familie des anderen besuchen soll – traditionell verbringt die Frau den letzten Abend im Jahr mit den Eltern des Mannes, während an Neujahr beide zu ihrer Familie fahren. Heute entscheiden sich die meisten aber doch dafür, abwechselnd ein Jahr hier und eins dort zu verbringen.
In verschiedenen Regionen Chinas gibt es dann auch noch mehrere, ganz unterschiedliche Traditionen. Die Leute in Guangzhou kaufen zum neuen Jahr zum Beispiel auf einem der Blumenmärkte einen kleinen Baum, den sie über das Jahr hegen und pflegen. Gedeiht er gut, bedeutet das Geldsegen und Glück.
China Tours Magazin: Und bei dir? Was machst du am Neujahrstag?
Lile (lacht): Ich spiele mit meinen Großeltern Mahjong – um Geld versteht sich. In der Regel lasse ich sie gewinnen, damit sie sagen können: „Oh, ich habe aber viel Glück im neuen Jahr.“
Das ist eine tolle Geste, Lile. Danke für die netten Einblicke und ein glückliches Jahr des Hasen!