Shanghai ist eine verrückte Stadt. Es ist immer was los, auf den Straßen kann man den unterschiedlichsten Menschen begegnen, im Licht der Neonröhren scheint in der chinesischen Metropole alles möglich zu sein – ein Potential, dass Menschen aus den unterschiedlichsten Ecken der Welt anzieht wie das Licht einer einsamen Straßenlaterne einen Schwarm Motten – und das sich in der vergangenen Woche vorübergehend potenziert zu haben scheint: Während des Frühlingsfestes stand die Stadt Kopf und das nicht nur wegen des tagelangen Dauerbeschusses mit Feuerwerkskörpern.
Die Feiertage über Neujahr bedeuten für Chinesen nicht nur eine alljährliche Familienzusammenführung. Als eine der Hauptferienzeiten des Landes nutzen viele ihre wenigen freien Tage, um zu reisen – im eigenen Land versteht sich. Und wenn man nicht eigentlich genau wüsste, wie viele Menschen doch im Reich der Mitte leben, so hätte man fast schon glauben können, dass es dieses Mal die ganze Nation geschlossen nach Shanghai verschlagen hat.
In den letzten Tagen schienen die Hauptattraktionen der Stadt wie zum Beispiel der Bund schier zu vor Menschenmassen zu bersten. Chinesische Touristen soweit das Auge reicht. Die sonst stets leeren Stadttour-Busse kreuzten plötzlich voll besetzt durch das südliche Ende der bekannten Nanjing Lu. Die U-Bahnen waren stets überfüllt, was an sich genommen nichts Neues ist – allerdings hielten sich die Fahrgastschwärme an keine der sonst so üblichen Stoßzeiten.
Sich selbst inmitten einer dieser wild gemischten chinesischen Touristengruppen wiederzufinden, sei es in den öffentlichen Verkehrsmitteln oder bei einem Spaziergang durch die Innenstadt, konnte zu durchaus interessanten Szenen führen: Viele der frühlingsfestlichen Stadtbesucher schien es vom Lande nach Shanghai gezogen zu haben. Dies bedeutete einerseits, dass in den letzten Tagen ein fast schon exotisch anmutendes Wirrwarr aus den wildesten chinesischen Dialekten durch die Hochhäuserschluchen wehte, welches die meisten aus- aber auch inländischen Bewohner der Stadt bei bestem Willen nicht verstehen konnten. Auf der anderen Seite sah man sich als nicht-chinesischer Mitbürger plötzlich sehr vielen Menschen gegenüber, die ein fast schon unstillbares Interesse an einem zu entwickeln scheinen.
Einige sehr liebenswerte Reaktionen, die eben Letzteres nach sich zog, konnte ich in den letzten Tagen am eigenen Leib erfahren: Das Spektrum reichte vom verlegenen Winken, über interessiertes Anstarren – immerhin scheinen viele unserer Besucher noch nie in ihrem Leben einen Ausländer gesehen zu haben. Und wenn einige ganz Mutige dann die Frage stellen, ob sie sich mit einem fotografieren lassen dürfen – was während der Reisezeiten tatsächlich gar nicht so selten vorkommt – könnte man selbst fast schon Starallüren entwickeln.
Als ich am Wochenende nach Neujahr für ein solches Foto jedoch einen kleinen Säugling mit den Worten: „Guck mal, das ist jetzt deine ausländische Tante,“ in die Arme gelegt bekommen habe, war ich doch froh, dass der Trubel bald enden würde – auch wenn der kleine Fratz wirklich furchtbar niedlich war.
Inzwischen sind die Feierlichkeiten um das Frühlingsfest vorbei. Sieben Tage – und ein chinesisches Patenkind – später, hat Shanghai wieder zu seinem normalen verrückten Alltag zurückgefunden, nachdem sich die Stadt in der letzten Woche selbst mit Menschenmassen, dem Lärm von überdimensionalen Feuerwerkskörpern und ungewohnten aber lustigen Begegnungen übertrumpft hat.
Familienurlaub Shanghai - das lohnt sich in jedem Fall.