Kleine Reisebusse kämpfen sich langsam aber stetig steile Bergstrassen empor, die gesäumt sind von Abhängen und vereinzelten Siedlungen, zwischen deren Häusern bunte Fahnen im Sonnenlicht flattern. Den Serpentinen folgend öffnet sich der Blick immer wieder auf dicht bewachsene Täler überragt von hohen Wolken verhangenen Bergspitzen. Dann treten die Felsen langsam zurück und machen den Weg in ein flaches Hochplateau frei. Yakherden grasen träge am Straßenrand.
Der Weg von Chengdu, der Hauptstadt der bekannten zentralchinesischen Provinz Sichuan, in das Naturreservat Jiuzhaigou ist weit – rund 13 Stunden Busfahrt warten auf diejenigen, die sich die Reise zutrauen. Doch allein diese und ähnliche Bilder, wie sie sich den Fahrgästen entlang der Straßen immer wieder eröffnen, sind die weite Strecke wert. Dabei ist der eigentliche Höhepunkt der Tour noch gar nicht erreicht: Das seit 1992 zum UNESCO-Weltnaturerbe gezählte Jiuzhaigou-Tal im Nordwesten der Provinz lockt mit klaren Bergseen von einzigartiger Schönheit. „Einmal aus Jiuzhaigou zurückgekehrt, möchte man nie mehr andere Wässer sehen als diese.“ Ein Teil eines chinesischen Sprichworts, an dem durchaus viel Wahres ist.
Überragt von dunstenden Bergen winden sich verschiedene Wasserwege in das Tal und ergießen sich in viele Seen und Wasserfälle, welche Jiuzhaigou wie eine natürliche Y-Form durchziehen. Es gibt die Möglichkeit, die Gipfel ebenso wie die bekanntesten Seen des Naturschutzgebietes mit kleinen Bussen zu erreichen. Allerdings müssen sich Besucher darauf einstellen, dass die bei solchen Touren angefahrenen Orte saisonbedingt von chinesischen Touristengruppen überlaufen werden. Viele dieser einheimischen Besucher entdecken das Reservat im Eiltempo – sie fahren zu den bekanntesten Plätzen, machen Fotos und springen schnell wieder in die Busse zu den nächsten Aussichtspunkten. Oftmals fehlt ihnen einfach die Zeit, die Landschaft in Ruhe auf sich wirken zu lassen. Wenn möglich sollten Besucher sich jedoch zwei bis drei Tage gönnen, um die vielen Wanderpfade entlang der Seen zu erkunden, denn abseits der ausgetretenen Wege verlieren sich die Besuchermassen schnell im Hintergrund.
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Spaziergänge führen vorbei an plätschernden Bächen und Seen, die in solch satten Farben schimmern, dass man fast glauben möchte, das Wasser wäre gefärbt. Blau, türkis und grün strahlen die natürlichen Juwelen des Reservats Wanderern entgegen. Den Körpern hunderter kleiner Drachen gleich winden sich alte Baumstämme und Wurzeln unter der spiegelnden Oberfläche ineinander – vom klaren Wasser vor schnellem Verfall geschützt. Die Wege sind gesäumt von verlassenen Schreinen, an denen bunte Stoffbänder langsam verblassen. Gebetsfahnen wiegen sich leise im Wind. Hier ebenso wie in den kleinen Siedlungen, welche sich vereinzelt im Tal finden lassen, kann man bereits die kulturellen Einflüsse des nahen Tibets spüren. Wenn Sie die Möglichkeit haben sollten, übernachten Sie in einem der Gasthäuser im Inneren Jiuzhaigous. Hier erwartet Sie bei Weitem kein Luxus, doch entschädigen die netten Herbergsbesitzer mit ihrer Freundlichkeit und einfachem, aber selbst gemachtem und köstlichem Essen dafür. Und wenn Sie dann eines Abends den Blick nach oben wenden, ist allein schon der klare Sternenhimmel so weit weg von den größeren Städten tausendmal den längeren Aufenthalt wert gewesen.