Die Reisekooperation Haus der Spezialisten veranstaltet noch bis zum 31.03.2012 einen Fotowettbewerb. Neben einem Reisefoto reichen alle Teilnehmer außerdem einen belgeitenden Reisebericht ein. Wir möchten Ihnen hier einen Reisebericht über Vietnam, Chinas Nachbarn, nicht vorenthalten:
Ganze Pulks von schlitzäugigen Mopedfahrern brausen beängstigend schnell in Saigon oder, wie es heute heißt, Ho Chi Minh-City auf die Fußgänger zu. Ein regelrechtes Abenteuer ist es, die Straße zu überqueren. Der Tipp „Augen zu und rüber“ ist nicht jedermanns Sache. Fast keiner der Raser trägt einen Helm, dafür fast alle Mädchen und Frauen, die vor Sonne und Staub schützenden weißen Gesichtsmasken, die nur die Augen frei lassen. Die wilde Meute von drei Millionen Mofas, deren Abgase die Luft verpesten, ist Tag und Nacht unterwegs. Erstaunlich auch, mit was die Vietnamesen solch windige Fahrzeuge beladen: Ganze Familien, von der Oma bis zum Kleinkind, vom Korb bis zur Kommode, vom Koffer bis zum Kälbchen. Zebrastreifen sind reines Dekor und werden sogar von Polizisten ignoriert. Trotzdem passieren erstaunlich wenige Unfälle!
Reiseführer Trinh Lam Tung beginnt seine Führung in der Neun-Millionenstadt mit „Onkel Ho“, dem Staatsgründer Ho Chi Minh, der auf seinem Denkmal vor dem stattlichen Rathaus liebevoll ein Kind im Arm hält. Tung ist ein typischer Vietnamese, klein und superschlank. Seine deutschen Sprachkenntnisse erwarb er 1978 in der früheren DDR, die ihm und einer Reihe junger Leute eine Ausbildung geboten hatte. Er lernte Autoschlosser in Magdeburg und Klein - Machnow. Es gefiel ihm dort so gut, dass er länger als vorgesehen blieb und als Dolmetscher arbeitete. Jetzt lebt Tung mit seiner Familie in einer winzigen Wohnung in Ho Chi Minh City und setzt seine Deutschkenntnisse als Reiseführer ein.
Saigon: Entlang der Hauptstraße, der Rue Catinat, heute „Volkserhebungsstraße“ reihen sich elegante Geschäfte
Tung weist auf das Hotel Rex hin, in dem die „Märchenstunde“ für die Amerikaner während des Vietnamkrieges stattfand und auf das Hotel Continental, beide auch bekannt durch den Roman von Graham Greene „Der stille Amerikaner“. Weitere stattliche Bauten aus der französischen Kolonialzeit sind die Oper, die Post und das Rathaus. Tung sagt, dass die Vietcong 1968 bei der Rückeroberung ihres Landes nur wenige Gebäude zerstörten.
Auffallend viele Hochzeiten finden zum Tet-Fest statt, dem Jahresbeginn nach dem chinesischen Mondkalender, der nicht mit dem europäischen zusammenfällt. Immer wieder neue Gruppen von Brautpaaren und ihren Gästen, die extra zum Fest aus der ganzen Welt angereist sind, lassen sich elegant gekleidet vor der neoromanischen Kathedrale Notre Dame fotografieren. Die zierlichen Vietnamesinnen kleidet das seitlich geschlitzte, eng anliegende traditionelle Seidenkleid mit den darunter getragenen Seidenhosen, das sogenannte „ao dai“. Oberschülerinnen tragen diese hübsche Nationaltracht in Weiß als Schuluniform, dazu ein weißes Hütchen. „Schmetterlinge“ werden sie liebevoll von den Einheimischen genannt. Markt- und Bauernfrauen schützen den Kopf vor der Sonne mit den flachen muschelförmigen Reisstrohhüten.
Überall ist die Aufbruchstimmung der Vietnamesen zu spüren. Nicht nur in der Betriebsamkeit auf den Straßen. Die schmalen „Handtuchhäuser“ sind herausgeputzt und fallen durch phantasievolle Giebelgestaltungen auf. Balkone mit einer Madonnenfigur sind keine Seltenheit. Vor den Fassaden verlaufen zahllose dicke schwarze Kabelstränge. Zwischendrin warten prunkvolle Tempel auf die Gaben der Gläubigen. Im Tempel des Jadekaisers, der höchsten Gottheit, tragen zahllose Räucherstäbchen die Wünsche der Betenden gen Himmel. Chinesen haben diesen Tempel gestiftet; ungefähr eine Million leben in ganz Vietnam, 200.000 in Saigon, hauptsächlich im Stadtteil Cholon, was soviel wie großer Markt heißt. Ein Uhrturm ist das Wahrzeichen des Binh-Tay-Marktes, auf dem außer Lebensmittel auch Textilien und Haushaltsgegenstände angeboten werden. Nicht zu vergessen die zahllosen Möglichkeiten für einen Imbiss am Straßenrand.
Ruhe findet der gestresste Marktbesucher im chinesischen Thien-Hau-Tempel.
Der Schutzpatronin der Seefahrer huldigen zahllose brennende Räucherspiralen; sie hüllen die feinen Keramikreliefs in einen magischen Dunst. Von den Chinesen wurde die Technik der Lackarbeiten eingeführt. Mindestens zehn Schichten werden auf den Untergrund aus Holz, Leinwand oder Metall aufgetragen; es können aber auch hundert werden. Intarsien aus Eierschalen oder Perlmutt sind in feinster Kleinarbeit zu ganzen Landschaften eingefügt. Beliebte Mitbringsel aus Vietnam sind auch kunstvoll gestickte Bilder, Seidenstoffe oder Ölbilder. In zahllosen Galerien wird kopiert, was das Zeug hält: Van Gogh, Lichtenstein, Botero oder Kandinsky.
Das Kriegsmuseum von Saigon ist nicht leicht zu verdauen. Die Fotos dokumentieren schonungslos die Gräueltaten der Amerikaner und die unsäglichen Leiden der Bevölkerung. Kriegsgerät wie Panzer und Hubschrauber zeugen vom jahrelangen Kampf der Vietnamesen gegen Franzosen und Amerikaner. Diese Eindrücke werden noch vertieft durch den Besuch des Tunnelsystems von Cu Chi, einem unterirdischen Labyrinth, rund 50 Kilometer von Saigon entfernt. Auf einer Länge von 200 Kilometern hatten die Vietnamesen auf drei Ebenen unterirdische „Städte“ mit Schulen, Lazaretten und Schlafräumen angelegt. Die engen niedrigen Tunnel eigneten sich nur für die schlanken Asiaten. Für Touristen wurde eine kleine Strecke verbreitert. Die Zugänge, oft nur Einstiegslöcher, waren nach außen geschickt mit Laub und Gras getarnt. Ein wenig unheimlich, wenn sich plötzlich so ein Deckel hebt und ein Soldat herausschaut. Diese Anlage und die verschiedenen Fallgruben im Gelände bedeuteten für die Krieg führenden Amerikaner sicher keinen Spaß. Letztere waren mit spitzen Eisen oder Bambusstangen bespickt, wie man sie von der Wildtierjagd kennt.
Je weiter von Saigon in Richtung Süden, umso blauer wird der Himmel und je besser die Luft
Erdnuss- und Kautschukplantagen, von den Franzosen 1898 eingeführt, säumen die Straße. Tung sagt: “Die Arbeit war hart. Fast bei jeder Pflanze ist ein Vietnamese gestorben.“ Heute sind die Plantagen staatlich. Der Kautschuk bringt viel Geld auf dem Weltmarkt: Eine Tonne Latex erzielt etwa 1.700 Dollar. Kinder verkaufen am Straßenrand Ketten aus den Früchten der Bäume. Eine hübsche Kleine mit straff geflochtenen Zöpfchen hat dabei besonders viel Erfolg. Auf dem Weg in den Süden führt Tung in eine der knallbunten Kirchen der Caodai - Sekte, die auf Grund ihrer politischen Ambitionen lange verboten war. Er bezeichnet sie als „Tutti-Frutti-Sekte“, denn sie hat aus sämtlichen Weltreligionen ihre Richtlinien zusammengestellt. Immerhin hat sie weltweit zwei Millionen Anhänger.
Zwischen endlosen Reisfeldern breitet sich das Mekong-Delta aus
Nach über 4.600 Kilometern teilt sich der gewaltige Fluss in viele Arme, um schließlich ins Südchinesische Meer zu münden. Die Vietnamesen nennen den 220 Kilometer langen Abschnitt Cu Long, Fluss der Neun Drachen. Siebzehn Millionen Vietnamesen leben hier auf einer Fläche so groß wie die Niederlande. Der fruchtbare Schwemmlandboden – keine Dämme verhindern Überschwemmungen- erlaubt drei Reisernten pro Jahr. In Teichen werden die teuren Pangasius-Fische gezüchtet, deren Export nach USA bereits etliche Milliarden Dollar einbrachte. In Ca Be bringen Boote die Touristen nach Vinh Long. Nicht sehr einladend sieht das braune Flusswasser aus; trotzdem baden Kinder darin. Windige Hütten auf Stelzen säumen das Ufer. Im Vorbeifahren erhascht man einen kurzen Einblick in das Leben ihrer Bewohner, denn es spielt sich in der Hauptsache auf den offenen Terrassen über dem Fluss ab.
Frauen rubbeln ihre Wäsche, verhandeln mit Händlern, die ihnen anbieten, was der Fluss beschert: Aale, Wasserschlangen, Drachenfrüchte, Papayas, Kokosnüsse und Zuckerrohr.
Ein Betrieb am Fluss stellt aus dem Zuckerrohr schmackhafte Karamellbonbons her. In riesigen Kesseln wird über offenem Feuer die Zuckermasse erhitzt. Auf der Insel Tinh Vinh Long Anbinh (Anbinh heißt Harmonie) besitzt der ehemalige Vietcong Tam Ho eine große Gartenplantage. Trotz seines eisgrauen Ho-Chi-Minh- Bartes und seiner schwarzen Zähne würde man ihm keine 86 Jahre geben. Seine Frau sei 90 Jahre alt, lacht er verschmitzt und schenkt seinen selbst gebrannten Schnaps aus der Kalabasse - Frucht in fingerhutgroße Porzellanbecher. „Der ist gut gegen Rheuma“, behauptet er. Als junger Soldat hatten ihn die Amerikaner in den Mangroven-Sümpfen gefangen genommen. Nachdem er sie überzeugen konnte, dass er nur ein armer Bauer sei, haben sie ihn wieder laufen lassen.
Um die schwimmenden Märkte zu erleben, heißt es, von Can Tho, der größten Stadt des Deltas, früh nach Cai Rang zu starten
Unzählige Boote, beladen mit Waren, überholen die Touristenschiffe. Viele haben vorne ein Fischauge aufgemalt, das ihnen in der Nacht beim Sehen helfen und außerdem die bösen Geister vertreiben soll. Ein reger Handel geht von den schwer beladenen Kähnen hin und her. Ganze Familien samt Kleinkind sind darauf versammelt. Nach erfolgreichem Handel wird an Bord gekocht und gegessen. Nach einem Zwischenaufenthalt in der lauten schwülen Ho-Chi-Minh-Stadt geht es in nordöstlicher Richtung ins Hochland von Da Lat. Die frische, kühle Luft in der wald- und seenreichen Gegend lässt aufatmen. Da Lat wurde schon früh von hohen Funktionären als idealer Urlaubsort entdeckt. Auch der letzte Kaiser Bao Dai, der 1945 abdanken musste, hatte hier seine Sommerresidenz, die heute besichtigt werden kann. Aus einigen Villen der einst ebenfalls Erholung suchenden Franzosen sind luxuriöse Resorts geworden. Da Lat ist für die Vietnamesen der Inbegriff der Schönheit und des Reichtums. Wer es sich leisten kann, verbringt hier seine Flitterwochen.
Nach sieben Tagen Rundreise ist ein Anschlussaufenthalt am Meer eine wunderbare Erholung. Um zum Küstenort Phan Thiet zu gelangen, geht die Fahrt vorbei an endlosen Kaffeepflanzungen, deren Blüten die Sträucher wie beschneit aussehen lassen. Prächtige Sanddünen in der Ferne sind der erste Eindruck von der Küste. Das Hotel liegt etwas abseits der Ortschaft an einem kilometerlangen Strand, der aber nur in der Hotelumgebung gepflegt ist. Ein Essen in den Strandlokalen ist auf Grund der Sprachprobleme etwas schwierig, genau wie in denen des Hafens mit seinen prächtig bunten Booten. Auch hier, wie überall in Vietnam, beeindruckt der Markt mit seinen Gerüchen und der bunten Vielfalt an Gemüse und Früchten. Und erst die Zubereitung der Speisen mit den raffinierten Gewürzen! Besonders köstlich schmeckt der Elefantenkopffisch am Ufer des Mekong, von dem die Serviererin kleine Stücke in hauchzartes Reispapier einwickelt. Essen ist für ein Land, das über Jahrtausende von Kriegen und Naturkatastrophen geplagt war, ganz besonders wichtig. Ein vietnamesisches Sprichwort sagt: Glück heißt satt werden.
Text: Dietlind Castor
Mitmachen beim Fotowettbewerb vom Haus der Spezialisten kann man noch bis zum 31. März 2012! Weitere Infos und alle bisher eingereichten Bilder finden Sie unter erlebnisreisen.org/messen
Mit China Tours nach Vietnam reisen: Schauen Sie mal in unsere Reise Vietnam und Yunnan!