Volk der Schusswaffen und freundlichen Riesen
Am Fuße des Mondberges in den endlos dichten Gebirgswäldern Congjiangs liegt ein kleines verstecktes Bergdorf in dem der letzte Jägerstamm des Miao-Volkes lebt: Basha. Seine Einwohner sind nicht nur die letzten Chinas, die noch echte Schusswaffen tragen dürfen, sie haben auch ein anderes Merkmal: Sie verehren Bäume als Träger der Seele.
Ich war morgens zu anhaltendem Dauerregen und einer Sturmvorhersage aufgewacht, die dem Leitsatz Guizhous “(…) keine drei Tage ohne Regen (…)“ alle Ehre machen wollte. Doch ein paar wenige, seicht-graue Löcher in der dunklen Wolkendecke -wahrscheinlich eine Illusion meiner hoffnungsvollen Einbildung- waren Anlass genug, mich trotzdem auf den Weg zu machen
Die Miao in Basha verehren Bäume und pflanzen zeitlebens neue. Auf dem kurvigen, von überfluteten Schlaglöchern übersäten Weg zum Dorf verdichteten sich dann auch die Wälder sichtlich, bis die Straße den Blick auf eines der ältesten und besterhaltenen Miao Dörfer Chinas freigab.
Die Menschen in Basha leben noch immer nach denselben Bräuchen, die sie schon vor Jahrtausenden praktizierten. Sie wohnen in ihren Diaojiaolou (Holzhäusern auf Pfählen), tragen traditionelle Kostüme und haben ihren ganz eigenen, speziell an diesen Ort angepassten Glauben.
Bäume der Seele
Gun Shuige, ein 24-jähriger Miao, ist der „Kulturprotokollant“ des Dorfes und einziger Hochschulabsolvent von hier. Als ich ihn traf, erzählte er mir, dass er es schwer fand, seine Heimat zu verlassen und schon nach einem Jahr in Guangzhou hierher zurückkehrte, um der Gemeinde zu helfen und für den Erhalt seiner Kultur zu kämpfen.
Ein Messer, sowie Pulverhorn und andere Jagdutensilien an seinem Gürtel und ein Gewehr über der Schulter tragend, führte Shuige mich durch seinen magisch grünen Geburtsort.
„In der Miao-Sprache bedeutet Basha oder „Biasha“, wie wir es nennen, „Ort mit üppigem Wald“. Wir sehen die Bäume als Seelenverkörperung unserer Vorfahren. Wenn ein Baby auf die Welt kommt, wird ein Baum gepflanzt, weil die Eltern sich wünschen, es möge mit derselben Stärke, mit derselben Verwurzelung in der Heimat, wie der Baum aufwachsen. Die Eltern suchen sich also den stärksten Baum als „Lebensbaum“ ihres Kindes aus. Sollte das Kind krank werden bevor es das 15. Lebensjahr erreicht, huldigen die Eltern diesem Lebensbaum, um für seine Gesundheit zu bitten.“
Wir liefen gemächlich durch den leichten Nieselregen-Schleier hindurch auf satt-grünem Waldboden entlang, als mir ein paar altertümlich beschriftete Steine und Tafeln auffielen, die die Bäume voneinander zu unterscheiden schienen.
„Wenn ein Basha-Mann heiratet, pflanzt er noch einmal einen Baum und wenn ein Mitglied der Gemeinschaft stirbt, werden all die Bäume, die von ihm gepflanzt wurden, gefällt und zu seinem Sarg verarbeitet.“
Shuige erzählte mir, wie für tausende von Jahren diese mystischen Traditionen von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Die Dorfbewohner blieben lieber unter sich und ließen kaum Kontakt mit der Außenwelt zu. Deshalb blieb dieses Kleinod für lange Zeit so unberührt und ist selbst unter den Miao Dörfern Guizhous sehr eigen.
Ankunft der Fremden
Mit den frühen 1980er Jahren kamen allerdings bessere Straßen. Und mit den Straßen kamen die Fremden. Gerade, als Shuige und ich unseren Rundgang durch das Dorf beendeten, trafen wir auf die Hauptstraße, die durch Basha führt und blickten einem Bus voller amerikanischer Touristen nach, die uns aufgeregt zuwinkten.
„Alles hat sich verändert seit es die nationale Autobahn 321 gibt“, erklärte er mir. „Vorher waren wir komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Aber danach kamen mehr und mehr Autos und Besucher zu uns. Als die Dorfbewohner zum ersten mal ein Auto sahen, dachten sie, es sei eine Art unbekanntes Monster und rannten davon. Auch die sehr fremde Kleidungsart der Besucher verängstigte sie, deswegen vermieden sie es, Augenkontakt aufzunehmen.“
Mit der Zeit aber gewöhnten sich die Bewohner an die vorbei fahrenden Autos und begannen sogar, die Vorteile in dieser neugewonnenen Verbindung mit der Außenwelt zu sehen. Beim Vorbeispazieren an den Häusern sah ich den einen oder anderen Fernseher herausblitzen und das Dorf hat inzwischen sogar eine eigene Schule.
Trotzdem die Miao in Basha den Wert ihrer so eigenwilligen Kultur erkannt haben und Laowais (Ausländer) kein komplett fremder Anblick mehr sind, ist dieser Ort in den Bergen sich selbst treu geblieben. Als ich mich von Shuige verabschiedete und im rumpelten Jeep zurück zum Hotel fuhr, hatte ich das Gefühl, einen echten Einblick in das alte China gewonnen zu haben.
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