Ein friedlicher Fluss schlängelt sich durch die weite grüne Ebene, in der sich die beschaulichen Dächer Dimens erstrecken. Sein leises Plätschern begleitete meine Schritte durch die Heimat der Dong und führte mich zu ihren Liedern. Denn so kommuniziert das Volk noch heute –mit Musik.
Die Sonne stand hoch am Himmel als ich das abgelegene Tal erreichte. Dimen bedeutet übersetzt soviel wie „der Ursprung des Dorfes mit einer blühenden Population“. Das Dorf ist in fünf Clans aufgeteilt, deren Häuser sich über das gesamte Tal erstecken. Sie gehören zu Mang Zhai, Zhai Mu, Wie Zhai, Mo Thai und Yin Thai.
Fünf Dörfer, fünf Brücken
Blumenbrücken in Dimen
Die einzelnen Siedlungen sind durch wunderschöne alte Brücken miteinander verbundenen. Sorgfältige Verzierungen gaben ihnen den Namen Blumenbrücken. Erschöpft von der Reise ließ ich mich auf einer der Bänke nieder, die an den Seiten der überdachten Kunstwerke entlangführen und sah mich um.
Dies sind nicht nur Brücken. Sie dienen als Ruheort für die ältere Generation, Spielplatz für die Kinder und Arbeitsplatz für die Schreiner, wenn dunkle Wolken aufziehen. Da sie als Unterschlupf bei schlechtem Wetter obendrein einen praktischen Nutzen haben, nennen die Einwohner sie auch Wind- und Regenbrücken. Wie die Lieder haben sie eine tief verwurzelte Bedeutung in der Kultur der Dong.
„Wenn ein Mädchen und ein Junge sich mögen und ausgehen wollen, dann können sie sich traditionell nur auf einer der Brücken treffen“, erklärte mir einer der Dorfältesten, der neben mir auf der Bank saß. „Zunächst singen sie allgemeine Lieder zueinander, zum Beispiel wenn sie sich verabschieden. Aber wenn sie sich wirklich mögen, dann werden die Lieder persönlicher, spezieller auf den anderen abgestimmt.“
Die ungeschriebene Sprache
Es gibt keine geschriebene Form ihrer Sprache, Kam. Die Lieder dienen als Aufzeichnung von Traditionen und Sagen, die laut den Gesängen selbst über tausende von Jahren alt sind. „Fragen Sie jeden in einem Dorf des Dong Volkes darum, Ihnen ein Lied zu singen und er oder sie wird keinen Augenblick zögern!“ Es gibt so viele davon: Willkommenslieder über das Fernhalten von Eindringlingen, Lieder über alte Sagen und, die Lieblingslieder der Dong, Lieder über Liebende.
„Wenn sich das Paar schon einige Male getroffen hat, werden die Lieder intimer. Zur Begrüßung singen sie davon, wie sehr sie an einander gedacht haben. Beim Abschied darüber, wie schwer es ist, einander wieder verlassen zu müssen.“
Als ich mich vom Dorfältesten verabschiedete und weiter durch diesen weitestgehend von der Außenwelt abgeschnittenen Ort wanderte, erkannte ich schnell, dass hier alte Traditionen wie die typischen Stickarbeiten, Papierherstellung und Stoffe Färben beibehalten wurden.
Traditionelles Spinnen in Dimen
Die Dorfältesten
In der Welt Dimens haben die Dorfältesten immer noch eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die za, oder älteren Frauen, binden sich ihre kleinen Enkel auf ihre Rücken und kümmern sich den ganzen Tag um sie, bis die Eltern von der Arbeit zurückkehren. Wenn die Eltern in anderen Städten arbeiten, obliegt es ganz und gar den za, ihre Enkel großzuziehen und in die Bräuche der Dong einzuweisen. Sie singen Lieder über Tischmanieren und Feldarbeit, über Selbstlosigkeit und Gier.
Ein Großvater passt auf einer Blumenbrücke in Dimen auf sein Enkelkind auf
Die Dorfältesten, Männer über 60, überwachen das Geschehen in Dimen und stellen sicher, dass alles nach den Verhaltensregeln der Dong abläuft. In den letzten Jahren haben Sie radikale Veränderungen beobachten können. Fernseher und andere elektronische Geräte hielten Einzug in die traditionellen Holzhäuser.
Immer mehr der jungen Leute ziehen nun auf der Suche nach Arbeit in die umliegenden Städte und verlassen Ihre Heimat. Als ich mich so in Dimen umschaute, sah es allerdings nicht so aus, als läge diese kleine friedliche Welt schon im Argen. Denn wer in Dimen geboren wurde, der weiß seine Herkunt zu schätzen und kommt immer wieder zurück.
