Kanone in Rente

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Sie schläft und bewegt sich nicht von der Stelle, denn seit über einem halben Jahrhundert ist sie bereits in Rente. In ihrer besten Zeit hat sie sogar einen japanischen Kreuzer versenkt. Die Rede ist von der größten Kanone Chinas. Sie steht in der Festung Hulishan in Xiamen. Innerhalb von nur zwei Jahren wurde dort eine komplette Militäranlage erbaut – mit deutscher Hilfe.

Mit einer Länge von 14 Metern ist die Krupp Kanone mit weitem Vorsprung die größte Kanone nicht nur in Xiamen, sondern auch in ganz China. Die Kanone befindet sich am Ende der großen Anlage und ist von neugierigen Touristen abgesperrt. Man kann lediglich einen Blick darauf werfen, doch berühren darf sie niemand. Die verrosteten Schrauben und Muttern fallen direkt ins Auge und lassen erahnen, wie alt dieses Monster bereits ist. Mit ihrer Größe war die Kanone für das damalige China eine Sensation. Zudem handelte es sich hierbei um ausländische Technologie, was damals bereits sehr beliebt war. Aufgrund der enormen Feuerkraft war die Anlage Hulishan der wichtigste militärische Stützpunkt an der Küste Xiamens und hatte eine ganz besondere Stellung. Geheime Tunnel in der Anlage, Schutzwände, Munitionsdepots, Baracken für Soldaten und Offiziere und einen Aussichtsturm – es fehlt an keiner Kleinigkeit. Eine Bezwingung der Anlage wurde sämtlichen Feinden dadurch fast unmöglich gemacht.

Aussichtsplattform über die Hulishan Anlage in Xiamen Mit großen und kleinen Kanonen hatte die Festung Hulishan eine große Feuerkraft

Aus militärischer Sicht ist das große Gelände optimal genutzt worden. Eine Invasion vom Meer aus hätte jeden Soldaten auf eine harte Probe gestellt. Direkt zu Beginn, die sehr steilen Felsklippen, die der Soldat unter feindlichen Feuerbeschuss zunächst bezwingen muss. Falls das geschafft ist, gilt es gleich mehrere Schutzwälle sowie einen Wassergraben zu überwinden um dann endlich, tief im Inneren der Anlage, auf die Kommandostation zu stoßen. Statt militärischer Plänen, Karten und der Funkeinrichtung gibt es dort inzwischen ein 4-D Kino, historische Fotos über Waffenlieferungen und ein Phantom Imaging Theater.

Dabei handelt es sich um eine Mischung aus Theater und Lichtshow. Die Charaktere werden von einem Beamer in eine feste Kulisse eingestrahlt. Die laut eingespielten Gesprächsfetzen zwischen den Soldaten und ihrem Kommandeur unterstützt die Illusion des „vor-Ort-Seins“. Die Aufführung zeigt die Verteidigung der Festung gegen einen Angriff der Japaner. Zwischen September 1937 und Mai 1938, als japanische Schiffe die Küste Xiamens besetzen wollten, versenkte Hulishan den Japanischen Zerstörer „Wakatake Maru“, und fügte „Hakaze“, einem weiteren Zerstörer, beträchtliche Schäden zu. Bis heute gilt dies als großer Sieg für die Festung und auch für Xiamen. In der Anlage findet sich viel Videomaterial und sogar Augenzeugenberichte aus dieser Zeit. Das Verhältnis zwischen China und Japan ist vergleichbar mit der Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich im 19. und 20. Jahrhundert. Anhaltende Konflikte, die immer wieder in kriegerische Auseinandersetzungen ausarteten. Bis heute gibt es ungelöste Spannungen zwischen den beiden Nationen.

Rekonstruktion von chinesischen Kanonenbooten Auf Hulishan gibt es sogar Kanonenboote in die Besucher einsteigen können

Interessierte erhalten auch Einblicke über das militärische Ungleichgewicht zwischen Briten und Chinesen während der Opiumkriege. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts handelten die Chinesen viel mit Rohstoffen, die sie emsig verkauften. Doch den Briten fiel auf, dass im Gegenzug kaum Import aus Großbritannien getätigt wurde. Dadurch verschob sich das wirtschaftliche Gleichgewicht zugunsten Chinas, was auf Güter aus dem Ausland nicht angewiesen war.

Gewaltsame Öffnung des chinesischen Marktes durch Opium

Daraufhin öffneten die Briten den chinesischen Markt gewaltsam, indem sie massiv Opium ins Reich der Mitte exportierten. Die chinesische Wirtschaft wurde dadurch vollkommen abhängig von einer europäischen Macht. Eine große Demütigung, die bis heute tief im Bewusstsein der Chinesen sitzt. Es kam zum Krieg zwischen den zwei Nationen, in dem China gegen die militärische Stärke der Briten nichts entgegenzusetzen hatte. Anschließend wurden die sogenannten „ungleichen Verträge“ aufgesetzt, so werden sie aus chinesischer Sicht bezeichnet. Die Briten öffneten daraufhin weitere Häfen- und sicherten sich Handelsprivilegien, was noch mehr Salz in die Wunde rieb.

Europa und China waren in der Technologie zunächst auf dem selben Stand, doch bald änderte sich das

Im 17. Jahrhundert ähnelte sich die Waffenproduktion in China und in Europa sehr. Die Hochöfen waren aus demselben Material, und die Arbeitsweise war ebenfalls ähnlich. Im Gegensatz zu China investierten die Europäer allerdings mehr in neue Technologie. Die Briten verbesserten ihre Schmelztechniken und waren daraufhin in der Lage, sogar schalldämpfende Waffen herzustellen. Etwas völlig neues für die damalige Zeit. Mit anderen Erfindungen wie der Dampfmaschine oder der horizontalen Bohrmaschine, konnten Kanonenkugeln besser bearbeitet und effektiver gestaltet werden.

Hanneken Skulptur auf Hulishan, Xiamen Hanneken zusammen mit Yang Qizhen auf der Suche nach einem geeigneten Platz für die Militäranlage

Der technologische Vorsprung vergrößerte sich und war im 19. Jahrhundert seitens China nicht mehr aufholbar. Dies sind auch die Gründe, weshalb Yan Botao, der Militärexperte der Provinz Fujian, beauftragt wurde die Sicherheit an der Küste Xiamens zu garantieren und fremde Einfälle zu verhindern. Zusammen mit Yang Qizhen, Oberbefehlshaber der Seestreitkräfte in Fujian, suchten sie Hilfe und Rat bei der deutschen Firma Krupp im Ruhrgebiet. Hanneken, ein deutscher Ingenieur, wurde beauftragt zusammen mit den zwei Chinesen eine Festung zu errichten und Know-how zu transferieren.

Etwa 160.000 Silberstücke kosteten die Krupp Kanonen

An vielen Stellen der Anlage befinden sich Originalkanonen aus der Zeit des Chinesisch-Japanischen Krieges, viele Fotos von Deutschen in Xiamen und auch von Chinesen auf dem „Kruppschen Schiessplatz in Essen“. Es fand ein starker Austausch mit dem Ruhrgebiet statt und die Chinesen bezahlten dafür auch kräftig. Sie ließen sich die große Krupp Kanone sowie eine weitere kleinere Kanone, etwa 160. 000 Silberstücke kosten– für damalige Verhältnisse ein Vermögen. Bis heute ragt ihre Kanonenöffnung aus einer tiefer gelegten Grube, die einen Teil von ihr verdeckt, so als ob sie auf der Lauer liegen würde – bereit zum nächsten Angriff.

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