Wir freuen uns, Ihnen unseren neuen Stipendiaten, den erfahrenen China-Reisenden Lukas Weber vorstellen zu dürfen. Im China Tours Magazin können Sie während der kommenden vier Monate seine abenteuerliche Reise durch Zentralchina mitverfolgen. Welche spannenden Sehenswürdigkeiten dabei auf dem Programm stehen, lassen wir ihn aber besser selber erzählen:
„Der Sinn des Reisens besteht darin, die Vorstellungen mit der Wirklichkeit auszugleichen, und anstatt zu denken, wie die Dinge sein könnten, sie so zu sehen, wie sie sind.“ (Samuel Johnson)
Kaum ein Land hat die Fantasien der großen Reisenden, von Marco Polo bis Sven Hedin, mehr beflügelt als China. Am anderen Ende der Seidenstraße gelegen, jener Route auf der über Jahrtausende Waren, Kultur und Religionen zwischen West und Ost ausgetauscht wurden, stellt China seit jeher das fernste denkbare Reiseziel dar. Sagenumwobene Orte und legendäre Persönlichkeiten, seltsame Schriftzeichen, mystische Religionen, wunderliche Sitten und Gebräuche, Essstäbchen, Fahrräder und Rikschakulis prägen das Bild jener „chinesischen Kultur“, die aufgrund ihrer absoluten Gegensätzlichkeit lange als das Alter Ego Europas bezeichnet wurde. Bis heute zieht der Reiz des Fernöstlichen in seinen Bann. Doch wie ist dieses exotische Bild zu vereinbaren mit der Profanität alltäglicher Pressemeldungen, in denen von Umweltverschmutzung und Wirtschaftswachstum, von Menschenrechten und Globalpolitik die Rede ist? Gibt es das Alte China noch oder haben die Wandlungen des 20. Jahrhunderts nichts von der einstigen Identität dieses Landes übrig gelassen?
Um Antworten auf diese Frage zu finden, möchte ich während der kommenden vier Monate das Reich der Mitte bereisen, um (wie Samuel Johnson sagt) „die Vorstellungen mit der Wirklichkeit auszugleichen“. Mich auf dieser China Reise gedanklich zu begleiten, dazu seien Sie herzlich eingeladen. Ich möchte Ihnen China zeigen, wie es ist.
Schriftsteller, Philosoph, Reisender
Ich darf mich vorstellen: Mein Name ist Lukas Weber und China ist meine Leidenschaft. Genauer gesagt ist es eine Leidenschaft. Daneben begeistere ich mich auch sehr für Berge, Literatur und Fotografie, für Käfer, Kühe und Mikroben. Das tut an dieser Stelle zwar nichts zur Sache, aber ich gestehe lieber freimütig, was sich auf lange Sicht ohnehin nicht verbergen lässt.
Meine Auseinandersetzung mit China begann vor einigen Jahren mit einem Sinologie-Studium an der Universität Wien, im Zuge dessen ich 2007/08 ein Jahr in Beijing verbrachte. Zugegeben, die Luft war damals schon schlecht, weshalb es mich immer wieder aus der Stadt hinaus trieb, um mit Bus oder Bahn das Land zu erkunden. Dabei erlebte ich China nicht nur von der materiellen Seite, sondern lernte auch seine geistige Dimension kennen: Das chinesische Denken und seine explizit nicht-christliche Weltanschauung prägte mich tief und stellte, insbesondere für mein Zweitstudium in Philosophie, eine Bereicherung dar. Das Ergebnis war mein Buch „Nietzsche und Dao. Der Weg von der Wahrheit zur Weisheit“, mit dem ich eine Brücke zu schlagen versuche, zwischen den beiden großen Denksystemen der westlichen Philosophie und der östlichen Weisheitslehre.
Ich selbst betrachte mich als Brückenbauer zwischen Kulturen, denn nicht alle Vorurteile die hierzulande über China herrschen, wie auch umgekehrt nicht alle Stereotype mit denen Chinesen über Deutschland („Fußball, Autos, Merkel“) oder Österreich („Mozart, Sissi, Musikverein“) reden, entsprechen notwendigerweise der Wahrheit – und schon gar nicht der ganzen Wahrheit. Daher orientiere ich mich an Mark Twain, welcher bereits darauf hinwies, dass das Reisen tödlich für Vorurteile sei. Und damit möchte ich mich auf den Weg begeben.
Der Reiseplan
Vier Monate dauert das Unternehmen, über das ich im China Tours Magazin fortlaufend berichten werde. Von Zhengzhou, der Hauptstadt der Provinz Henan ausgehend, schlängelt sich die geplante Route durch die zentralchinesischen Provinzen Shaanxi, Hubei, Chongqing und Sichuan, ein Gebiet in dem die chinesische Kultur ihre frühesten Wurzeln hat. Auf dem Programm stehen unter anderem Kaifeng, die ehemals größte Stadt der Welt, ein Bergsteigerfestival am Cuihua-Berg, archäologische Ausgrabungen, Karstlandschaften und eine Yangtseflussfahrt, Teeplantagen, der Wudang-Berg (Heimat des Taijiquan), sowie hoffentlich viele interessante Begegnungen, spannende Erlebnisse und malerische Landschaften.
Anschließend verlassen wir das Einzugsgebiet der Han-Chinesen und steigen über West-Sichuan in tibetisches Kulturland zum Qinghai-Plateau auf. Neben buddhistischen Klöstern stellt die Umrundung des heiligen Berges Amnye Machen (osttibetisches Pendant zum westtibetischen Kailash) einen vorläufigen Höhepunkt der Reise dar, ehe wir das Qinghai-Plateau in nördlicher Richtung verlassen und in die Tiefebene der Taklamakan-Wüste hinab steigen werden. Hier, in der Provinz Xinjiang, locken die Kultur der muslimischen Hui-Minorität, orientalisch anmutende Märkte, versunkene Wüstenstädte entlang der ehemaligen Seidenstraße und nicht zuletzt: die Wüste selbst. Sollte der Plan gelingen, endet die Reise in Chinas westlichster Ecke, nach einer Fahrt entlang des Karakorum-Highways, im Pamir-Gebirge an der pakistanischen Grenze.
Soweit der Plan. Doch Pläne sind eigensinnig; sie ändern sich gern. Darauf muss man gefasst sein. Da China als Reiseland so unglaublich viel zu bieten hat, darf nicht ausgeschlossen werden, dass ich am Ende nicht doch auf einem wilden Elefanten durch das tropische Xishuangbanna reite. Ich bin jedenfalls flexibel und hoffe, dass Sie es auch sind. Freuen wir uns auf die abenteuerlichen Monate!