Hong Kong gehört zu den Weltstädten und die ehemalige Kolonialherrschaft durch Großbritannien hat bis heute ihre Spuren im Stadtbild hinterlassen. Dennoch konnten Teile der vergangenen Kultur Hongkongs erhalten bleiben. Ein sehr zu empfehlendes Beispiel sind die traditionellen Teehäuser 茶餐厅, wie das Lin Heung Teehaus. 1926 eröffnet ist es vor allem bei Einheimischen sehr beliebt.
Der erste Eindruck im Lin Heung Tea House
Auch die Engländer führen eine ausgeprägte Teekultur, die zu einer relativ festgelegten Tageszeit nach einer Tasse Tee und Gebäck verlangt. Allerdings schien diese trotz der langjährigen ehemaligen Fremdherrschaft keinen Fuß in die aufregende Weltmetropole setzen zu können. An ihrer Stelle konnten die traditionellen Teehäuser Hongkongs überdauern, die ein echter Geheimtipp für Besucher sind.
Allerdings muss an dieser Stelle gesagt werden, dass ein Besuch starke Nerven abverlangt, die gegen Lärm, eventuelle Wartezeiten und Sprachbarrieren gefeilt sind. Denn anders als die vornehme Teekultur der Engländer es bevorzugt, herrscht in den Hongkonger Teehäusern ein lautstarkes Treiben und das Interieur erfüllt einen eher nützlichen Zweck, anstatt Gefallen und Bequemlichkeit vermitteln zu wollen. Aber genau das macht den Charme der Hongkong Teehäuser aus.
Die Tische sind allesamt relativ groß, sodass acht bis zehn Personen an ihnen Platz finden. Statt einer Tischdecke ziert eine große und runde Glasplatte den Tisch. Eine Tischdecke macht an dieser Stelle auch wenig Sinn, da der Tee oder das Teewasser meist in einem Schwall über alle Tassen gleichzeitig ausgeschenkt wird. Dabei ist es unvermeidlich, dass einiges von dem Wasser verschüttet wird. Die Glasplatten ermöglichen es den Kellnern, die Tische schnell abzuwischen.
Die Teehäuser sind stets sehr gut besucht, wenn nicht sogar überfüllt. Das sollte einem Besuch allerdings nicht im Wege stehen, da ein Sitzplatz dennoch schnell gefunden wird. Hier ist zu beachten, dass es völlig normal ist, sich einfach neben andere Besucher an den gleichen Tisch zu setzen. Also bitte keine Scheu vor unbekannten Tischnachbarn. Denn diese können unter Umständen auch sehr hilfreich sein.
So wird bestellt
Für ausländische Besucher wird der Bestellvorgang besonders spannend, da die Kellner außer dem regionalen Kantonesisch meist keine weitere Sprache sprechen. Haben sich neue Gäste an einen Tisch gesetzt, wird ihnen ein Zettel mit Nummern ausgehändigt. Was es mit dem Zettel auf sich hat, bleibt anfangs allerdings ungeklärt. Doch wer pfiffig und aufmerksam ist, weiß schnell, dass es sich um den Bestellzettel handelt, der jedem Tisch zugeordnet wird.
Die zahlreichen Nummern auf dem Zettel stehen für die verschiedenen Speisen, die die Speisekarte anbietet. Diese werden pro Bestellung abgestempelt und zum Schluss an der Kasse verrechnet. Aber wie bestellt man denn nun? Die Kellner sind nur für das Aufstellen und Abräumen von Geschirr, den Tee und das Auftischen der Speisen zuständig. Die Bestellungen nehmen sie nicht entgegen. Und dann sind da noch die Angestellten, die Rollwagen mit dampfenden und duftenden Bambuskörben durch die Gänge schieben.
Als kleiner Tipp für Besucher empfiehlt es sich, ruhig Mut zu fassen und zu Beginn das Gespräch mit den Tischnachbarn zu suchen. Es kann gut sein, dass diese ein wenig Englisch aber wenigstens Mandarin sprechen. Der Großteil der Gäste wie auch Kellner sind freundlich und hilfsbereit. .
Des Rätsels Lösung ist Eigeninitiative. Entweder geht der Gast in Richtung Kasse und bestellt dort Reis- oder Nudelgerichte oder er sucht den Kontakt mit einem der Rollwagen. Diese halten in ihren Bambuskörben leckere Dim Sum wie Teigtaschen, Reisröllchen und gedämpfte Brötchen bereit. Dim Sum zeichnen vor allem die kantonesische Küche aus und sind mundgerechte Gerichte, die in Bambuskörben gedämpft und angerichtet werden.
Hat der Besucher erst einmal herausgefunden, wie die Bestellung funktioniert, werden die Speisen auch recht zügig serviert. Allerdings sollten Besucher nicht allzu unbesonnen bestellen, falls sie die eigene Urlaubskasse im Auge behalten wollen. Um sich nämlich an den kleinen Portionen satt essen zu können, müssen entsprechend viele Gerichte bestellt werden. So sind schnell 100 bis 200 Hongkong-Dollar, die knapp 22 Euro entsprechen, ausgegeben.
Authentische Atmosphäre
Um in authentischer Hongkong-Atmosphäre genauso authentische Gerichte genießen zu können, ist das Lin Heung Teehaus die Empfehlung schlecht hin. Das Teehaus selbst wurde im Jahr 1889 in Guangzhou 广州 gegründet. 1926 eröffneten zwei Filialen in Hongkongs Mong Kok 旺角 und im Central District auf Hongkong Island. Im Jahr 1980 zog das Lin Heung Teehaus dann an die heute aktuelle Adresse Ecke Wellington Street und Aberdeen Street. Die genaue Adresse ist 160-164 Wellington St Central und ist unter anderem mit der Metro bis zur Station Sheung Wan zu erreichen.
Neben der simplen Einrichtung machen die betagten Hongkong-Chinesen der Mittelschicht den Charakter des Lokals aus. Sie vertreiben sich die Zeit vorwiegend mit Zeitungslektüren. Sie kommen allein, kennen sich untereinander oder suchen das gegenseitige Gespräch. Andere wiederum bleiben für sich und genießen so ihren Tee und ihre Zeitung über Stunden. Genau dieses Erscheinungsbild mit seinen Stammgästen ist es, was dem Besucher das Gefühl vermittelt, als befände er sich in Hongkong im Jahre 1962.
Mein Fazit
Trotz anfänglicher Bestellschwierigkeiten (letzendlich hatte uns ein freundlicher Hongkong-Chinese etwas geholfen) und der Hektik im Teehaus waren meine Begleitung und ich froh, dass wir dort waren. Die bestellten Gerichte waren fantastisch und bewiesen, wie herausragend die Küche Hongkongs sein kann. Priesen die Lokale in den Shoppingmalls am Tag zuvor doch eher enttäuschende Speisen wie gebratene Instant-Nudeln mit drei zaghaften Chicken Wings als Topping an. Im Teehaus selbst probierten wir Gerichte wie Steamed Chicken Bun 雞球大包, Lotus Seed Paste Bun 蓮蓉包 und die Steamed Chinese Sausage Roll 燒腩卷.
Feiern Sie Silvester in Hong Kong und besuchen Sie das Lin Heung Tea House!