Tongli – Das Venedig des Orients
In der Nähe von Suzhou 苏州 liegt die chinesische Wasserstadt Tongli 同里古镇, die auf eine mehr als tausendjährige Geschichte zurückblickt. Obwohl sie mittlerweile so alt ist, ist sie dennoch sehr gut erhalten. Sie befindet sich an der östlichen Küste des in Suzhou bekannten Taihu-Sees 太湖 und ist nur 18 km vom Stadtkern Suzhous entfernt. Die Wasserstadt nimmt eine Fläche von 63 km² ein und beherbergt eine Bevölkerung von über 33.000 Personen, was für chinesische Verhältnisse sehr klein ist. Aufgrund seines charmanten Charakters wurde der Ort zu einer touristischen Attraktion umfunktioniert und lockt mit seinen Steinbrücken und der gut erhaltenen antiken Architektur zahlreiche Besucher an.
Ein Ausflug in dieses wahrlich wundervolle Reiseziel ist sehr zu empfehlen. Dort warten unvergessliche Ferien und die traditionelle Kultur Chinas auf neugierige Reisende. Die zahlreichen privaten Gärten, Tempel und einzigartigen Häuser heißen alle Besucher herzlich willkommen und versprühen mit den darin liegenden Wasserstraßen den Charme eines orientalischen Venedigs.
Geschichte und Kultur
Mit einer mehr als tausendjährigen Geschichte verfügt Tongli über einen überzeugenden kulturellen Hintergrund. So brachte die Stadt zahlreiche Poeten, Maler, konfuzianische Gelehrte und Beamte hervor. Diese trugen mit ihren Werken maßgeblich der Entwicklung des Landes in vielen Bereichen bei. Des Weiteren werden dutzende von Steintafeln aus verschiedenen Perioden in Tongli aufbewahrt. Jeder Besucher, der durch die Straßen der ehrwürdigen Wasserstadt schlendert, wird die unberührte und berauschende Atmosphäre zu schätzen wissen. Im Jahr 1981 wurde die Stadt als eine der 13 offiziellen nationalen Reisestädte in der Region des Taihu-Sees deklariert. Zusätzlich stellte die Regierung den Ort als Provinzstadt kultureller Interessen der Jiangsu Provinz 江苏省 unter Denkmalschutz.
Tonglis Antike Brücken
Bei vielen Wasserstraßen müssen die unterschiedlichen Stadtteile natürlich gut erreichbar sein. Dazu dienen die zahlreichen antiken Brücken, von denen insgesamt 49 Stück die sieben Stadtbereiche miteinander verbinden. Auf diese Weise lassen sich die 15 Flüsse und fünf Seen hervorragend überqueren und schmücken zusätzlich das Stadtbild. Jede Brücke besitzt einen eigenen Namen, der den poetischen Charakter der Stadt und ihrer Bewohner widerspiegelt. Die vielleicht nennenswertesten sind die Taiping-Brücke 太平桥 (Brücke der Ruhe und Beschauligkeit), die Jili-Brücke 吉利桥 (Brücke des Glücks) und die Changqing-Brücke 长庆桥(Brücke der anhaltenden Feierlichkeiten).
Taiping-Brücke
Die Taiping-Brücke wurde unter der Herrschaft des Kaisers Jiaqing嘉慶帝während der Qing-Dynastie 清朝 (1644-1911) errichtet. Die Changqing-Brücke hat hingegen ein paar Jahre mehr zu verzeichnen und wurde 1470 erbaut und 1704 erneuert. Die wohl älteste Brücke ist die Siben-Brücke 思本桥 (Brücke des Ursprungs), deren Ursprung auf die Song-Dynastie 宋朝 (960-1279) zurückführt. Mit 1,5 Metern in der Länge und 1 Meter in der Breite ist die Dubu-Brücke 独步桥 (Einschritt) die kleinste Brücke. Sie alle stehen seit vielen Jahrhunderten regungslos dar und sind die Zeitzeugen der historischen Unbeständigkeit der Stadt, was sie zu einem unabdingbaren Bestandteil macht.
Fuguan-Brücke
Neben den drei großen Brücken Tonglis sollen weitere Brückenkonstrukte genannt werden, die ebenfalls mit interessanten Details auf Besucher warten. Die Fuguan-Brücke 富观桥 gilt beispielsweise als die geheimnisvollste Brücke. In ihrer Oberfläche befindet sich eine Gravierung mit den Worten „Das Fischfossil in der Welle der Pflaumenblüte“. Einer Legende zufolge schwamm ein Fischschwarm entgegen den Wellen entlang eines Ufers, das bedeckt mit Pflaumenblüten war. Die Fische hofften zu einem unsterblichen Drachen zu werden, wenn sie es schafften, über das Drachentor zu springen. Ein junges schönes Mädchen befand sich auf der Brücke und beobachtete die Fische bei ihrem Vorhaben. Als es selbst in die Luft sprang verwandelte sich ihr Kopf in den eines Drachen, während ihr Körper seine menschliche Form beibehielt.
Die Pu'an-Brücke 普安桥 wird auch die Brücke des kleinen östlichen Stromes bezeichnet. Sie wurde im Jahr 1506 erbaut, was das erste Regierungsjahr des Kaisers Zhengde 正德 während der Ming-Dynastie 明朝 (1368 - 1644) war. Die Brücke gilt als die repräsentativste ihrer Art, indem sie die örtliche Sorgfalt und den Eifer, Wissen zu erlangen, widerspiegelt.
Der Garten für den Rückzug und die Reflektion
Der sehenswerteste Garten der Stadt ist der Garten des Rückzugs und der Reflektion 退思园. Der zu seiner Zeit in den Ruhestand gegangene Beamte Ren Lansheng 任兰生 erbaute den Garten in der Zeit von 1885 bis 1887. Der Name des Gartens entstand durch einen Ausdruck eines Aphorismus in der Biografie mit dem Titel Zuo Zhuan 左傳, den Zuo Qiuming 左丘明 während der östlichen Zhou Periode 周朝 (770 v.Chr. bis 221- V.Chr.) verfasste. Das ausgeklügelte Design des Gartens entspricht dem örtlichen Landschaftsbild. Der Garten selbst nimmt eine Fläche von circa 700 km² ein.
In seinem kompakten und harmonischen Erscheinungsbild unterteilt er sich in zwei Bereiche. Im Westen befindet sich das Wohnareal, das das innere und äußere Haus sowie die Sedanhalle, eine Teehalle, die Empfangshalle und zwei weitere Gebäude umfasst. Im Osten finden Besucher Teiche, Marmorboote, am Wasser anliegende Pavillons, Veranden, Steingärten und Brücken. Gemeinsam mit den gedeihenden Bäumen und farbenfrohen Blumen begrüßt der Garten die Besucher mit seiner Schönheit und seinem Charme zu jeder Jahreszeit.
Weitere Sehenswürdigkeiten
Bei so vielen Brücken und Gärten sollten die anderen Sehenswürdigkeiten nicht unbeachtet bleiben. Einen weiteren Abstecher empfiehlt sich nach Luoxing Zhou 罗星洲, was eine kleine Insel auf dem Tongli-See ist, auf der sich Spuren der Glaubensrichtungen des Buddhismus, Daoismus und Konfuzianismus wiederfinden. Des Weiteren verzaubert auch hier das Landschaftsbild gleichermaßen. Aufgrund seiner religiösen Bedeutung kommen viele Bewohner zum Neujahrsfest auf die Insel, um dort die Glocke für das neue Jahr zu schlagen und zu beten.
Auch der Perlenturm 珍珠塔 ist ein interessantes Besuchsziel, der eine Rekonstruktion aus einem bekannten Drama der Suzhou-Oper ist. Das Drama erzählt die Geschichte zwischen dem jungen Fangqin und der jungen Chen Cui'e. Unglückliche Umstände führten dazu, dass der Hof Fangqins Vater verbannte. Fangqin ging darauf zu seiner Tante, um diese um Hilfe zu bitten. Diese allerdings war arrogant und nicht willig irgendwelche Bemühungen zu unternehmen. Sie verabscheute die Armen. Seine Cousine allerdings war ein herzensguter Mensch und übergab Fangqin heimlich den Perlenturm, der der Familienschatz über mehrere Dekaden war. Auf diese Weise war es Fangqin möglich, weiter zu studieren. Nach drei Jahren wurde er zum höchsten Graduierten der Beamtenprüfung und kehrte Heim.
Viele Wege führen nach Tongli
Besucher, die nach Tongli fahren, erreichen die Wasserstadt normalerweise mit dem Hochgeschwindigkeitszug über den Nordbahnhof von Suzhou. Langsamere Züge halten am Suzhou Bahnhof. Suzhou ist mit dem Zug von Shanghai, Nanjing, Hangzhou und auch Beijing zu erreichen. Vom Bahnhog Suzhou fahren Besichtigungsbusse normalerweise alle 20 Minuten ab und erreichen Tongli in 45 Minuten. Alternativ können Besucher auch mit dem Taxi nach Tongli fahren, was knapp 80 RMB (ca. 12 Euro) kostet. Wer mit dem Auto aus den umliegenden Städten anreisen möchte, erreicht von Shanghai, Nanjing und Hangzhou Tongli direkt über die Autobahnen.