Südchina ist nicht nur berühmt für seine Reisterrassen und Karstberge, sondern auch für sein heißes, subtropisches Klima. Dass es hier mancher Orts für wenige Wochen zum regelrechten Wintereinbruch mit Eis und Schnee kommt, ist hingegen kaum bekannt. Deshalb lohnt sich eine Winterreise! Für außergewöhnliche Eindrücke fernab touristischer Menschenmengen bietet die Zeit von Anfang Januar bis Ende Februar die besten Voraussetzungen.
Winterreise durch Hunan
Karstfelsen und Reisterrassen in Eis und Schnee
Beim Gedanken an Südchina haben die meisten Menschen Reisterrassen und Wasserbüffel vor Augen. Flüsse schlängeln sich durch Karstkegel und laden zum Bootsfahren ein. Dabei fürchten sich nicht wenige zu Recht vor dem heißen, subtropischen Klima und einer Luftfeuchtigkeit, die einem schon beim Sitzen den Schweiß aus allen Poren treibt. Diesem Bild entspricht auch der Nordwesten von Hunan, dessen fantastische Felsformationen im Wulingyuan (武陵源) Nationalpark durch James Camerons Film "Avatar" 2010 weltweite Bekanntheit erlangten. Doch an der Grenze zu Hubei und Guizhou sind nicht nur die Sommer extrem.
In der Zeit zwischen Mitte Januar und Ende Februar wird es in dieser Ecke Hunans so kalt, dass sich die hohe Luftfeuchtigkeit als Schnee und Eis niederschlägt. Die ohnehin schon traumhafte Landschaft erscheint dadurch surreal. Das Beste ist jedoch, dass sich von den fast 40 Millionen jährlichen Besuchern fast niemand im kurzen Winter hierher verirrt. Wer also geschickt die Feiertage rund um das chinesische Neujahrsfest meidet, dem bieten sich atemberaubende Winterlandschaften. Bildschöne Wasserstädte besichtigen und unvergessliche Wanderungen machen, kann man während Unterkünfte mit Sonderpreisen locken.
Durch die fruchtbaren Täler "südlich des Sees"
Aufgrund der günstigen Flüge von und nach Peking, wählten meine Frau und ich Hunans Provinzhauptstadt Changsha ((长沙市) als Startpunkt. Von dort ging es sofort weiter per Bus nach Zhangjiajie (张家界) und zu den Felsformationen von Wulingyuan. Die Fahrt dauert etwa 5 bis 6 Stunden und führt durch die fruchtbare Ebene südlich des Dongting-Sees (洞庭湖), dem Hunan seinen Namen verdankt. Hunan (湖南) bedeutet “südlich des Sees“, während die nördliche Nachbarprovinz den Namen Hubei (湖北) “nördlich des Sees“ trägt.
Die Busreise ist durchaus reizvoll und führt durch eine Landschaft voller Wasserläufe und Karsthügel. Diese sind vor allem von Reisterrassen, Tee- und Orangenplantagen geprägt. Für Reisende mit weniger Zeit bietet Zhangjiajie jedoch auch einen eigenen Flughafen, der mit fast allen Metropolen Chinas verbunden ist. Die 30-minütige Fahrt vom Busbahnhof oder Flughafen zum Nationalpark kostet etwa 100 CNY. Doch viele Herbergen bieten einen kostenlosen Transfer-Service an, so auch unsere Hotel.
Spektakulärste Winterlandschaft: Fast ganz für uns alleine
Der zum UNESCO-Weltkulturerbe zählende Nationalpark erstreckt sich über mehr als 130 km² und Unterkünfte finden sich in mehreren Dörfern im Park als auch an allen Eingängen. Während unserer drei Nächte im einen neu-eröffneten, familienbetriebenen Hotel am westlichen Eingang des Parks waren wir die einzigen Gäste. Dies erwies sich als großer Pluspunkt, da unsere Gastgeber überaus hilfsbereit und freundlich waren und alle Zeit der Welt für uns hatten. So verbrachten wir unsere Abende um den Kohleofen im Wohnzimmer, zusammen mit Oma und Opa, Tochter und Schwiegersohn sowie den beiden Enkelkindern. Vor allem aber während unserer Ausflüge im Park erwies sich die Nebensaison als riesiger Vorteil. Auf manchen Pfaden lag der Schnee der letzten Nacht noch unberührt vor uns und sogar auf den gewöhnlich hoffnungslos überfüllten Aussichtsplattformen mit ihren Affenkolonien waren nur wenige, fast ausschließlich chinesische Besucher unterwegs.
Der Ausblick über die schneebedeckten, nebelverhangenen Sandsteinsäulen war absolut überwältigend und glich einen Mix aus Wintermärchen und Fantasy-Welt. Aufgrund von Schneefall und Nebelschwaden war es zwar nicht ganz einfach, diese Ausblicke in Bildern festzuhalten, doch hierfür entschädigten Nahaufnahmen von Pflanzen und Blüten, die durch eine dicke Eisschicht wie in Glas gegossen wirkten. Man braucht Glück mit dem Wetter, um diesen fabelhaften Naturpark im Winterkleid zu erleben. Doch selbst wenn der Schnee ausbleibt, ist ein Besuch während der kurzen Nebensaison ein echter Geheimtipp. So menschenleer bekommt man diese verwunschene Landschaft sonst nie zu sehen.
Eine in Vergessenheit geratene Filmkulisse
Nach drei unvergesslichen Tagen in Zhangjiajie fuhren wir am vierten Morgen weiter ins 80km südlich gelegene Furongzhen (芙蓉镇), das durch den gleichnamigen Film von 1986 über die Wirren der Kulturrevolution eine gewisse Bekanntheit erreichte. Das Fischerstädtchen thront auf einem Kliff, von dem sich ein breiter Wasserfall in den vorbeifließenden Fluss stürzt. Allerdings führt der Wasserfall im Winter nur wenig Wasser mit sich, weshalb der Anblick nicht ganz so spektakulär war, wie erhofft. Trotzdem lohnt sich ein Besuch in dem verschlafenen Ort, der seine besten Tage als Touristenmagnet bereits hinter sich hat, und gerade deshalb einen entspannten, ländlichen Charme versprüht.
Wir entschieden uns dafür am frühen Abend den Bus weiter nach Jishou (吉首) zu nehmen und von dort am nächsten Morgen in die Berge um Dehang (德夯) aufzubrechen. Jishou ist Sitz der autonomen Präfektur der Miao- und Tuija-Minorität, die hier die Bevölkerungsmehrheit stellen und das Straßenbild prägen. Die Stadt ist zwar nicht gerade schön, eignet sich aber hervorragend als Ausgangspunkt für Wanderungen zu den umliegenden Miao- und Tuija-Dörfern.
Wanderung durch die Dörfer der Miao
Die Fahrt per Bus von Jishou nach Dehang dauert weniger als eine Stunde und die Busse starten, sobald alle Plätze besetzt sind. Das kleine Dorf ist umgeben von Viehweiden und Terrassenfeldern, welche die Ausläufer der umliegenden Karstgipfel überziehen. Neben Landwirtschaft hat sich Tourismus zur wichtigsten Einnahmequelle der umliegenden Miao-Dörfer entwickelt. Doch auch hier bleiben die Besucher im Winter weitgehend aus, da die meisten nur vor, oder nach einem Besuch in Zhangjiajie vorbeischauen. Vom Dorf führen verschiedene Wanderwege in die umliegenden Täler und Berge. Wir entschieden uns zunächst für einen Ausflug entlang dem kleinen Fluss, der durch das Dorf fließt. Dieser Pfad ist flach und sehr gut ausgebaut, sodass man nicht wirklich ins Schwitzen kommt. Unterwegs sahen wir immer wieder Eisvögel, die im Fluss nach Fischen tauchten.
Am Ende des Weges liegt ein kleiner, glasklarer See vor einer senkrechten, etwa 40m hohen Felswand. Hier stürzt sich normalerweise ein Wasserfall in die Tiefe, doch im Winter bleibt das Wasser jedoch nahezu vollständig aus, weshalb der Wasserfall eher einem steten Nieselregen gleichkam. Trotzdem bot sich uns ein absolut grandioser Anblick: Aufgrund der Temperaturen knapp unter 0°C gefror das Wasser beim Auftreffen und überzog alle Steine und Pflanzen mit einer zentimeterdicken Eischicht.
Nach einem Imbiss aus Maisbrot und Flusskrebsen machten wir uns am Nachmittag an den Aufstieg zu einem der steilsten Felsen, welche die Hügel um Dehang wie Säulen überragen. Dieser Pfad war sehr viel anstrengender und verlangte uns immer wieder Pausen ab. Das letzte Stück des Weges bildete eine Art frei stehendes Treppenhaus, das sich in eine Felsspalte gezwängt die letzten 150 Meter bis zum Gipfel hinaufwindet. Ein schwindelerregender Ausblick über das Tal mit seinen Terrassenplantagen war die Mühe aber in jedem Fall wert. Mit dem letzten Bus fuhren wir schließlich zurück nach Jishou, um die Reise am folgenden Morgen Richtung Fenghuang (凤凰县 - fènghuáng xiàn) fortzusetzen.
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