Im Herzen Henans - Die Geister der Ahnen

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Nach dem aufregenden Tag am Shaolin-Berg geht es weiter ins schwüle Herz Henans – das man zugleich auch als das Herz Chinas bezeichnen könnte, schließlich ist es eine der Provinzen mit der höchsten Einwohnerzahl. Es befindet sich im Delta des Gelben Flusses, an dem 2.000 Jahre vor Christus die erste Dynastie Chinas entstanden sein soll.  In welcher Provinz sollte man das „authentische“ China antreffen, wenn nicht dort?, denke ich mir begeistert.

Luoyang

Im Herzen Henans: Altstadt von Luoyang Altstadt von Luoyang

Und tatsächlich, in Luoyang ist nicht so viel auf Hochglanz poliert wie in den reichen Küstenstädten. Die Stadt versprüht einen etwas eigenwilligen Charme. Vor den traditionellen Steingebäuden in der Altstadt hängen rote Fahnen mit Schriftzeichen. Mitten in der Fußgängerzone stehen zwei nackte Schaufensterpuppen, die einander umarmen. In den Hinterhöfen verbergen sich kleine Spelunken. Man fühlt sich an die Hutongs in Beijing erinnert oder an kleinere Städte im Süden oder Südosten Europas, die sich eine naive, ursprüngliche Subkultur bewahren konnten. Subkultur in China? Ja, in Henan auf jeden Fall. Schließlich existiert hier, in einem kleinen Dorf, das einzige noch aktive maoistische Kollektiv Chinas. 

 

Im Herzen Henans: Luoyang

Eine Geschmacksexplosion für den europäischen Gaumen bedeuten die vielfältigen Speisen, die man in Henan bekommen kann. Als wir abends auf die Straße gehen, sind plötzlich alle möglichen Essensstände wie Bambussprossen aus dem Boden geschossen. Neben den bekannten Leckereien gilt vor allem die „Bufantang“ als Spezialität. Das ist eine Suppe mit Reisnudeln und Hühnerfleisch, in der kleine Stückchen ungesalzenen Brotes aufgeweicht werden. Beliebt ist auch das „Shuixi“, zu deutsch „Wasserbankett“. Es ist ein Mehr-Gänge-Menü, das praktisch nur aus verschiedenen Suppen besteht (dies ist allerdings nur mit einer größeren Reisegruppe zu bewältigen). An den Ständen in der Altstadt sieht man außerdem viele Leckerbissen, die aus Pfingstrosen gemacht sind – Tee, Kekse und sogar Süßigkeiten.

Im Herzen Henans - Shuixi Wasserbankett Shuixi Wasserbankett

Longmen-Grotten

Solchermaßen gestärkt und gut ausgeschlafen brechen wir am nächsten Tag zu den Longmen-Grotten auf, wo uns Meisterwerke buddhistischer Felsenbildhauerkunst erwarten. Auf über einem Kilometer Kalksteinwand sind hier Buddhastatuen in den Stein gehauen. „Du sollst dir kein Bild von Gott machen“! Im Buddhismus gilt wohl das Gegenteil, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Statuen ursprünglich bunt bemalt waren. (Übrigens ist unter den Gläubigen auch umstritten, ob Buddha wirklich als Gott oder einfach nur als „Lehrer“ verehrt werden soll.)

Im Herzen Henans: Ausblick auf die Longmen Grotten Ausblick auf die Longmen Grotten

Wovon man wirklich keine Bilder oder Fotos machen sollte, sind Gräber von Verstorbenen. Behauptet zumindest ein älterer Chinese, als ich das Grab des Dichters Bai Juyi fotografiere, das sich auch auf dem Gelände der Longmen-Grotten befindet. Das brächte Unglück, und außerdem sei auf den Fotos nachher wundersamerweise gar nichts zu sehen. Diese Sache mit dem „Unglück“ scheint etwas zu sein, worin alle Chinesen unabhängig von ihrer Glaubensangehörigkeit übereinstimmen. Tatsächlich scheinen gerade diejenigen, die gar keinen „richtigen“ Glauben haben, sondern nur den ethischen Grundsätzen des Konfuzianismus folgen, am abergläubischsten zu sein.

Geisterglaube

Dementsprechend ist in China auch der Glaube an Geister weit verbreitet. Die verstorbenen Ahnen erscheinen am Qingming-Fest als hungrige Geister und müssen mit Reisschalen und Papiergeld besänftigt werden. In chinesische Häuser werden „Geisterschwellen“ eingebaut und Brücken werden häufig im Zick-Zack-Format konstruiert. Die chinesischen Geister können nämlich weder über Hindernisse schweben noch abbiegen.

Die bekanntesten Geistergeschichten stammen aus der Feder von Pu Songling. Seine Liaozhai Zhiyi sind so etwas wie die Grimm`schen Märchen Chinas; wie die Gebrüder Grimm hat auch er auf mündlich überlieferte Geschichten aus dem Volk zurückgegriffen. In seinen Geschichten verwischen häufig die Grenzen zwischen Realität und Traum – da heiratet ein Mann eine Frau, die schon lange tot ist, „Fuchs-Geister“ verführen junge Männer, Bücher erscheinen im Traum und werden zu ständigen Begleitern.

Im Herzen Henans: Nachbildung eines Fuchs-Geistes Ich als Fuchsgeist

Denn der Status, den ein Mensch zu Lebzeiten inne hatte, spiegelt sich nach Überzeugung der Chinesen auch in der Jenseitswelt wider. Wenn ein Verstorbener beispielsweise keine Familie hat, die Geld für ihn verbrennt, bleibt er auch im Jenseits „arm“ und ein Geist von „niedrigem Ansehen“.

Wenn jemand gewaltsam zu Tode gekommen ist, wird er als Geist immer wieder an den Ort des Geschehens zurückkehren und versuchen, jemand anderen in den Tod zu locken, um selbst erlöst zu werden. Und Frauen, die sterben bevor sie heiraten konnten, irren nach dem Tod noch auf der Erde herum, auf der Suche nach Geborgenheit in den Armen eines Mannes, eben jene „Fuchs-Geister“. Wer du im Diesseits bist, bestimmt also wer du im Jenseits sein wirst – und anders herum: Wer es schafft, sich im Jenseits einen hohen Status zu erkämpfen, kann leichter wieder reinkarnieren.

Kaifeng

Im Herzen Henans: Der Eisenpagodenpark in Kaifeng Der Eisenpagodenpark in Kaifeng

Fuchs-Geister wurden in alter Zeit auch in Kaifeng verehrt, der letzte Ort, den wir in Henan besuchen. Kaifeng ist eine relativ typische chinesische Stadt mit der üblichen Ausstattung an Tempeln und schön angelegten Parks. Besonders sehenswert ist der Xiangguo-Tempel, in dem zuweilen auch Shaolin-Aufführungen und Konzerte buddhistischer Musik stattfinden. Im Zentrum des Tempels befindet sich die großartige achteckige Arhat-Halle mit einer großen hölzernen Statue von Boddhisatva.

 

 

 

Im Herzen Henans: Rauch im Park

 

Unter den Parks sticht der Eisenpagodenpark mit seinem großen Lotusteich und seiner Ziegelpagode hervor, die sogar noch höher als der Turm von Pisa ist (und auch etwas schief ist). Der Park ist sehr liebevoll angelegt und lädt zum ausgiebigem Flanieren ein. Und wenn aus den Düsen neben dem Weg Wasserdampf aufsteigt, verleiht das dem Panorama noch eine extra magische Wirkung. Wer wird denn da nicht dazu verleitet, an Geister zu glauben?

 

 

 

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