Inzwischen hat die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) auch bei uns einige Fürsprecher gewonnen. Allerdings dient sie oft nur als Ergänzung zur klassischen Schulmedizin. In China reicht die Beschäftigung mit der Heilung von Krankheiten bis in die Zeit vor Christus zurück. Doch natürlich hatte die Vorstellung von Medizin damals noch nicht viel mit unserem heutigen Verständnis zu tun. Es begann mit Ahnen und Dämonen ...
Orakelknochen zeigten den Weg zur Heilung
Bereits im 1. Jahrtausend vor Christus beschäftigte sich die Shang-Dynastie mit Krankheiten und deren Ursachen. Auf Orakelknochen finden sich neben Fragen über das Wetter und das Eintreffen von Nachwuchs auch Bitten um Genesung. Damals gingen die Könige und Schamanen davon aus, dass es einen direkten Bezug zwischen dem Auftreten von Krankheiten und dem Einfluss der Ahnen gibt. Später wurden auch Dämonen als Quelle allen Übels in Betracht gezogen.
Dabei half die Konzeption einer zweigeteilten Seele: Nach dem Tod trennt sich die Seele in eine aufsteigende hun-Seele und die verbleibende po-Seele. Kam es aufgrund verschiedener Faktoren nicht zu einem Aufstieg der hun-Seele, so verblieb sie ebenfalls im Körper und war nunmehr für Krankheiten verantwortlich. Das Ziel stand also fest: Der hun-Seele auf dem Weg in den Himmel helfen. Ein Bestandteil der Zeichen hun und po ist der Geist oder auch der Dämon. Hier zeigt sich der konzeptionelle Zusammenhang. Vor diesem Hintergrund ist auch die Frage zu verstehen: "Der Fuß schmerzt. Bin ich von einem Dämon befallen?" Als Heilung waren dann meist Tieropfer vorgesehen.
Die Grundlagen der TCM
Die Vorstellung einer zweigeteilten Seele findet sich bis heute im chinesischen Gedankengut. Allerdings hat sich mit der Zeit auch die Traditionelle Chinesische Medizin gewandelt. Erste Lehrbücher, die sich explizit mit der Heilung von Krankheiten fernab des Opferrituals befassen und Wirkungen von meist natürlichen Arzneimitteln thematisieren, waren das Shennong Bencaojing und das Huangdi Neijing.
Das Shennong Bencaojing stammt vermutlich aus der Zeit zwischen dem 3. und 2. Jahrhundert vor Christus. Es wird jedoch mythologisch dem Urkaiser Shennong zugeschrieben. Er soll um 2800 v. Chr gelebt haben. In dem Werk finden sich eine Vielzahl von Heilkräutern, die mit ihrer Wirkung beschrieben werden. Im ersten Band werden stärkende und ungiftige Pflanzen aufgezählt wie beispielsweise Ginseng, Jujube, Orangen und Zimt. Der zweiten Band gibt eine Übersicht von Pflanzen, die auf Körperfunktionen einwirken und zum Teil giftig sind. Zu ihnen zählen Ingwer, Pfingstrosen und Gurken.
Das „Buch des Gelben Kaisers zur Inneren Medizin“ (Huangdi Neijing) beschreibt explizit Krankheitsbilder und geht auf Behandlungsmethoden ein. Hier wird bereits Akkupunktur beschrieben. Eine Form der Behandlung, die sich bis heute großer Beliebtheit erfreut. Aber auch die Organ- und Meridian-Theorie wird hier entfaltet.
TCM – auch heute noch aktuell
Immer wieder sehe ich Medizinstände und Apotheken in China, die für jeden Patienten individuelle Kräuterbündel in Zeitungspapier einschlagen. Die Kräuter sollen dann als Tee oder Tinktur die entsprechende Krankheit heilen oder Leid lindern. Es sind aber nicht nur Kräuter, sondern auch diverses Wurzelwerk. Ein Tipp, den mir meine Lehrerin in China für Halsschmerzen gab, ist ein Tee mit Luo Han Guo. Hierbei handelt es sich um ein Kürbisgewächs, das mit heißem Wasser übergossen wahre Wunder wirken soll. Sehr vorteilhaft: Dieses Gewächs ist auch bei uns im Asia-Markt erhältlich.
Zwischen Heilung und Aberglauben
Kräuter, Pflanzen und Akupunktur spielen bis heute eine wichtige Rolle in der TCM. Die Kraft der Kräuter ist ja etwas, was wir auch in unseren Breiten finden. Anders lässt sich Anis-Fenchel-Kümmel-Tee, der andernfalls ein bloßer Anschlag auf die Geschmacksknospen wäre, nicht erklären. Trotz mangelnden Wissens glaube ich, dass sich die chinesische Medizin positiv auf den Körper als Einheit auswirkt. Dabei unterscheide ich allerdings zwischen Kräutern und Anwendungstechniken und in meinen Augen hanebüchenen Arzneimitteln wie gemahlene Rhinozeroshörner, Bärentatzen, Schildkrötenpanzer oder Seepferdchen.
Die heilende Kraft der Entspannung
Ein wichtiger Bestandteil der TCM sind natürlich außerdem Massagen, Schröpfen und Co. Vor dem Hintergrund der Entspannung und Lockerung sind sie eine wahre Wonne. Erinnere ich mich allerdings an meine erste chinesische Massage, dann sind es schmerzvolle Erinnerungen:
Als ich 2011 in Kunming war, haben wir am Straßenrand einen kleinen Massagesalon gefunden. Ohne große Sprachkenntnisse und mit den Schriftzeichen anmo (Massage) ausgestattet gingen wir zum shifu, dem Meister. Mit seinen sicherlich über 70 Jahren war er rein zahlenmäßig „alt“, aber ich habe bis heute nie mehr solche festen Griffe an meinem Rücken gespürt. Ich lag schmerzverzerrt auf meiner Liege mit dem Kopf nach unten schauend. Zwei Tage konnte nicht auf dem Rücken liegen. Ich habe jeden einzelnen Knochen gespürt. Aber dann: Am dritten Tage spürte ich die vollkommene Entspannung meiner Rückenpartie. Wahnsinn!
Wer sich gerne selbst mal in Kunming und seinen Massagesalons umsehen möchte, kann das auf dieser Reise in Yunnan hervorragend tun: