Chinas Hochzeitsmarkt, zwischen Tradition und Moderne

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China

In China ist die Ehe viel mehr als nur eine Verbindung zwischen zwei Menschen – sie ist eine Institution, eine ernst genommene Familiensache und ein wichtiges gesellschaftliches Thema. Sogar Doktorarbeiten werden darüber geschrieben! Der Hochzeitsmarkt in China ist umgeben von unzähligen Besonderheiten, weshalb chinesische und westliche Hochzeiten unterschiedlicher nicht sein könnten. Es gibt skurrile Rituale, viel Schnaps, große Partys – und überall ist die glückbringende Farbe Rot präsent. Hochzeit auf Chinesisch bedeutet aber auch gesellschaftlicher und familiärer Druck, individuelles versus kollektives Glück, Sexismus, Tradition und viel mehr. 

Die traditionelle chinesische Ehe

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Der feste und große Hochzeitsknoten, der die Eheleute und Familien verbindet. Quelle: Baidu

 

Traditionell gehört die Ehe in China zum Erwachsenwerden dazu. Junge Erwachsene leben meist weiterhin bei ihren Eltern, bis sie verheiratet sind – erst dann ziehen sie aus. Als richtig „erwachsen“ und „verantwortungsbewusst“ gelten sie aber erst dann, wenn das erste Kind geboren ist – gehofft wird auf einen Sohn. Zur Tradition gehört auch eine hohe Mitgift von den Brauteltern, während der künftige Schwiegersohn ein Heim, eine Karriere und Reichtum bieten muss. Auch mit den Brautjungfern muss der zukünftige Ehemann verhandeln, indem er kleine rote Umschläge mit Zetteln unter der Tür hindurchschiebt, bis der Betrag als ausreichend für den Eintritt erachtet wird.

Das war ziemlich viel Druck, oder nicht? Dazu kommt auch, dass früher die Ehen fast immer arrangiert waren. Häufig wurde schon im Kindesalter beschlossen, wer einmal wen heiraten wird. Das kollektive Glück der Familien stand dabei im Vordergrund, und das individuelle Glück der Eheleute spielte kaum eine Rolle.

Erst seit einigen Jahrzehnten wird es zunehmend zum Thema, die Wahl des Partners den Heiratswilligen selbst zu überlassen. Die Familien mischen sich dennoch gerne weiterhin in die Partnerwahl ein ...  zum Beispiel durch die berühmten „Heiratsmärkte“, wo Eltern passende Gegenstücke für ihre Kinder nach bestimmten Kriterien suchen.

Zum ohnehin schon schwierigen Aufeinandertreffen von Traditionen und Moderne gesellt sich eine immer schwierigere wirtschaftliche Lage. Angesichts der Wirtschaftskrise, Massenentlassungen und steigender Arbeitslosigkeit zögern viele junge Paare, den Schritt der Heirat zu gehen, und verschieben oder verwerfen die Idee einer offiziellen Verbindung. Zwischen Familienerwartungen und persönlichen Wünschen, zwischen kulturellem Erbe und wirtschaftlicher Unsicherheit befindet sich die chinesische Hochzeit im Wandel.

Die Hochzeitsmärkte

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Steckbriefe bei einem chinesischen Hochzeitsmarkt, Quelle: Baidu

Die Suche nach einem Ehepartner in China ist eine komplexe Mischung aus Tradition und modernem Druck. Zwar haben junge Menschen heute mehr Freiheit bei der Partnerwahl, doch die Eltern mischen sich weiterhin stark ein – mit klaren Kriterien: Alter, sozialer Status, Bildungsniveau und vor allem finanzielle Sicherheit.

Die Einmischung geschieht häufig über entfernte Verwandte oder Freunde der Familie, die das ein oder andere Match ausfindig gemacht haben und nun eine Heirat vorschlagen. Oft sehen sich aber auch die Eltern selbst nach geeigneten Kandidaten und Kandidatinnen um, bspw. auf einem von Chinas „Hochzeitsmärkten“. Auch in den heutigen digitalen Zeiten werden im Rahmen dessen gerne Steckbriefe im Park ausgehangen, auf denen Eltern oder Verwandte ihre unverheirateten Sprösslinge an den Mann oder an die Frau bringen wollen. Während sich die ältere Generation gerne an solch traditionellem Match-Making austobt, finden die "Kinder" so etwas meist peinlich.

Trotz der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen, die viele dazu bewegen, ihre Hochzeit hinauszuzögern oder ganz aufzugeben, hält sich dieses Phänomen hartnäckig. In den Augen der älteren Generation heiraten schließlich nicht nur zwei junge Leute, sondern zwei Familien. Professionelle Berater und Schamane treiben sich oft auf den Hochzeitsmärkten herum und beraten gerne jeden zahlungswilligen Zuhörer, ob die Sterne für diese Ehe günstig stehen, die Familiennamen zusammenpassen oder was der geeignetste Vermählungstermin ist.

In den Großstädten boomt jedoch nicht nur die Heiratsvermittlung per Zettel im Park, sondern auch Dating-Plattformen und Partnervermittlungsagenturen, um den Bedürfnissen junger Menschen gerecht zu werden, die Liebe und familiäre Erwartungen unter einen Hut bringen wollen.  

 

Die Hochzeitszeremonie

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Ein typischer Hochzeitssaal für etwa 300 Personen, Quelle: Baidu

Hat man einen passenden Partner gefunden und es soll traditionell weitergehen, wird schleunigst ein Termin beschlossen. Es wird eine große Halle mit Bühne gemietet und sämtliche Familienangehörigen, Freunde, Bekannte und Geschäftspartner eingeladen. Das können schon mal um die 800 Leute sein. Der Bräutigam schmeißt sich meistens in westliche Schale (Anzug, Fliege/ Krawatte), während die Braut diverse Kleider den Tag und Abend über wechselt - von der traditionellen Qipao zum westlichen weißen Kleid ist alles dabei! Ironischerweise erscheinen die meisten Gäste in normaler Straßenkleidung, nur enge Familie und Freunde putzen sich heraus.

Rot, die Farbe des Glücks und Wohlstands, dominiert das gesamte Ereignis – von der Kleidung bis zur Dekoration. Das festliche Hochzeitsbankett ist meist opulent und wird von ausgelassenen Feiern begleitet, bei denen reichlich Alkohol fließt und traditionelle Spiele die Verbundenheit des Paares auf die Probe stellen.  

Auch die Rituale sind voller Symbolik. Eines der wichtigsten ist die traditionelle Teezeremonie, bei der das Brautpaar seinen Eltern Tee serviert – als Zeichen des Respekts und der Aufnahme in die Familie. Die Familie hat einen hohen Stellenwert, und erst nach dieser symbolischen Geste gelten die Eheleute als wirklich verheiratet.  

Die Zeremonie wird selten von einem Geistlichen geleitet; meist brüllt ein Moderator (-Duo) ins Mikrophon und kündigt die diversen Unterhaltungs-Auftritte an. Die frischen Eheleute durchleben unterdessen die verschiedenen Rituale - Bräutigam trägt Braut auf dem Rücken, man füttert sich gegenseitig mit sog. „langen Nudeln“, der Bräutigam trinkt Lebertran, etc - und gehen anschließend von Tisch zu Tisch und stoßen mit den Gästen an. Währenddessen mampfen die Gäste die verschiedenen Speisen.

Solche Hochzeiten sind natürlich enorm kostspielig, weswegen sich natürlich ein großer Markt um die Vermählung bildete. Um Kosten auszugleichen, übergeben Gäste monetäre Geschenke in roten Umschlägen. 

Doch auch in China wandeln sich Hochzeitstraditionen. Während viele Paare an den klassischen Bräuchen festhalten, entscheiden sich immer mehr für eine vereinfachte Zeremonie oder sogar für eine Hochzeit im Ausland – weit weg vom gesellschaftlichen Druck und den hohen Kosten. Was früher vor allem eine Familienangelegenheit war, wird zunehmend zu einer persönlichen Feier, die den Wünschen der jungen Generation entspricht. Auch westliche Hochzeiten sind derzeit bei jungen Leuten en vogue, sodass kuriose Mischtypen aus traditionell-chinesischen und westlichen Hochzeiten entstehen, um die Familie zu ehren, aber auch den eigenen Wünschen nachzukommen.

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Quelle: Unsplash

 

Die Evolution der chinesischen Heirat: Traditionen weichen der Moderne

Die Ehe in China verändert sich heute stark – geprägt von tiefgreifenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbrüchen. Früher war sie vor allem eine familiäre Pflicht, bestimmt von kollektiven Werten. Es ging darum, die Familie zu erhalten, während persönliches Glück oft zweitrangig war. Doch mit der wachsenden Unabhängigkeit der jungen Generation wird die Ehe immer mehr zu einer individuellen Entscheidung.  

Auch wirtschaftliche Veränderungen spielen eine große Rolle. Die steigenden Lebenshaltungskosten, besonders in den großen Städten, und eine wachsende wirtschaftliche Unsicherheit führen dazu, dass viele junge Chinesinnen und Chinesen zögern oder ihre Hochzeit hinauszögern. Die Vorstellung von Ehe als Symbol für finanzielle Stabilität wird zunehmend hinterfragt. Zudem ändern sich die Ansichten zu Geschlechterrollen und familiären Erwartungen, sodass immer mehr Paare sich erst einmal fürs Zusammenleben entscheiden, bevor sie den nächsten Schritt wagen.  

Trotz all dieser Veränderungen sind Traditionen nach wie vor präsent. Die Erwartung einer hohen Mitgift und der hohe gesellschaftliche Stellenwert der Ehe sind nicht verschwunden. Viele junge Menschen stehen daher vor der Herausforderung, einen Mittelweg zwischen alten Werten und modernen Lebensvorstellungen zu finden – und definieren so die Bedeutung von Ehe in China neu.

 

Einige Besonderheiten

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Eine der seltenen homosexuellen Ehen: Symbolisch bedeutsam, rechtlich nicht zugelassen. Quelle: Baidu

Die Ehe im konfuzianischem System sieht keine Abweichungen von der Norm vor: Frauen heiraten Männer, ziehen in dessen Heim und werden Teil seiner Familie. Der Mann muss vor der Heirat bereits ein (teures) Heim, eine Karriere und ein Auto bieten. Die Frau kümmert sich um alle häuslichen, der Mann um alle außer-häuslichen Angelegenheiten. Punkt. Dieses jahrtausendealte Modell übt noch heute großen Druck auf das moderne Leben in China aus – vor allem auf Frauen.  

Ein Beispiel dafür sind Frauen, die sich ihrer Karriere widmen, besonders in der Wissenschaft. Wenn sie mit 27 Jahren noch unverheiratet sind, gelten sie oft als „zu alt“ für die Ehe und werden als „Shengnü“ – „übrig gebliebene Frauen“ – bezeichnet. Zudem wird in traditionellen Ehen selten akzeptiert, dass eine Frau eine höhere Bildung oder eine bessere berufliche Position als ihr Mann hat, was häufig dazu führt, dass Frauen ihre Karriere hinten anstellen (müssen).

Eine weitere Gruppe, die im konfuzianischen System nicht vorgesehen ist, sind die Homosexuellen. Homosexualität ist in China nicht illegal oder strafbar, dennoch ist keine Form der homosexuellen Partnerschaft offiziell anerkannt. Was in Deutschland seit 2017 und in Taiwan seit 2019 legal ist, wird in China am liebsten totgeschwiegen. Aufgrund des gesellschaftlichen Drucks gehen viele homosexuelle Menschen sogenannte „Schein-Ehen“ mit einem Partner des anderen Geschlechts ein. Dies bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich, insbesondere wenn es um die Gründung einer Familie und die Erziehung von Kindern geht.

Zwischen Kulturerbe und Neuerfindung

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Junge Eheleute beim Verzehr der langen Nudeln, symbolisch für eine lange Ehe. Quelle: Baidu

Chinas Gesellschaft hat einen langen Weg und viele Veränderungen hinter sich. Von der Kaiserzeit, über ein restriktives System unter Mao, bis zur modernen Partnerfindung und Eheschließung sind viele Schritte passiert. Und die Ehe in China wandelt sich immer weiter – gefangen zwischen den Herausforderungen der Moderne und tief verwurzelten Traditionen.

Das momentane System übt viel Druck auf junge Chinesen:innen aus, aber liberale Familien geben ihren Sprösslingen mehr Freiraum und zeigen Beispiele alternativer und erfolgreicher Lebenswege. Immer mehr junge Menschen entscheiden sich dafür, die Ehe neu zu definieren. Wirtschaftliche Veränderungen, der wachsende Einfluss des Feminismus und das Streben nach individueller Unabhängigkeit verändern die Spielregeln – besonders für Frauen, die früher auf traditionelle Rollen beschränkt waren und heute mehr Freiheit in ihren persönlichen und beruflichen Entscheidungen einfordern.

So verschiebt sich das durchschnittliche Heiratsalter bspw. nach hinten, die Scheidungsraten vervielfachen sich und mehr und mehr homosexuelle Partnerschaften werden akzeptiert.

Die heutige Generation ist besser gebildet und sozial bewusster. Sie hinterfragt alte Normen, etwa den Druck, früh zu heiraten, oder die Erwartung, dass eine Ehe vor allem finanzielle Stabilität bieten soll. Doch trotz dieser Veränderungen bleiben konfuzianische Werte und familiäre Erwartungen bestehen – besonders in ländlichen Gebieten oder traditionell geprägten Familien. Die Ehe bleibt ein zentrales Element der chinesischen Gesellschaft, ein fragiles Gleichgewicht zwischen kulturellem Erbe und modernen Lebensentwürfen.  

Damit ist die Ehe in China heute eine komplexe Angelegenheit: Zwischen Tradition und Moderne, zwischen persönlicher Entscheidung und sozialer Pflicht spielt sie weiterhin eine entscheidende Rolle im Leben vieler Menschen – und verändert sich zugleich, um den Herausforderungen der Gegenwart gerecht zu werden.

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