Als einziger auf einem Motorrad unterwegs, hat Kay Müggenburg (Startnummerr. 1) während der New Silk Road Rallye mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen. Seien es technische Probleme oder ein mit Zigaretten überfüllter Seitenwagen, die überwundenen Hürden und Erebnisse hat er in einem Fazit zwischen Khiva und Bhukara zusammengefasst.
Es ist 07:30 Uhr und ich fahre mal wieder 30 Minuten vor den anderen Fahrzeugen ab. Kalt, so unter 10°C denke ich, aber dicke Klamotten anzulegen lohnt nicht, in 2 Stunden wird es wieder warm. Ich trage Funktionsunterwäsche mit Silberfäden gegen Geruch, dann noch die Motorradhose, die mittlerweile vor Staub und Öl nicht mehr gesellschaftsfähig ist, Brustpanzer und Shirt. Das ist gut ab 20°C bis ganz warm und schützt vor der Sonne.
Frank wollte meinen Ersatzkanister mit Benzin betanken, damit ich keine Zeit an der Tankstelle vertue – lieb von ihm. Denn mehr als 80 km/h sind bei mir nicht drin, 470 km sollen es werden, daher rechne ich mit 10 Stunden, denn gut die Hälfte der Strecke ist im schlechten Zustand.
Die Straßen ein Schlachtfeld, die Steppe eine Oase der Ruhe
Gegen 11.00° wurde es dann warm und die Straßen schlecht. Bald wird es eine Autobahn geben aber zurzeit ist die Straße ein Schlachtfeld, wie häufig in den letzten Tagen, nur mit weniger LKW-Verkehr. Die Löcher sind überall und unberechenbar, das Motorrad taucht tief ein und springt vorne hoch. Das geht in die Arme und Schultern, der Helm und die Brille verwackeln das Bild nach vorne. Dann fährt der Seitenwagen in ein Loch, spring hoch und kippt das Gespann nach links. Das ungefederte Hinterrad haut das Gespann hinten hoch in den gefederten Sattel, der teils das Rückgrat durchschlägt. Ich nehme viele Passagen im Stehen, so viel Stehen wie nötig, soviel Sitzen wie möglich und immer locker bleiben. Das ist ein alter Enduro-Fahrerspruch. Nach 4 Stunden komme ich nicht mehr aus dem Sattel, die Finger tun weh, keine Kraft mehr. Es kommen Passage mit tiefem feinen Staub der sich vor dem Motorrad aufwirft, nur nicht vom Gas gehen sonst steckt man fest. Es ist so als wenn man durch tiefe Pfützen fährt, und der Staub baut sich vor einem auf um mich dann einzunebeln. Der Staub geht überall rein, unter den Helm, in den Kragen. Dann kommen auch noch Autos und LKW von vorn und hinten und stauben einen zusätzlich ein.
Manchmal mache ich Abstecher in die Steppe, genieße die Stille und die Kamele die um mich herum grasen. Die Steppe ist toll und weit, ich bin allein und die Wärme tut meinen Knochen gut. In Krakau dachte ich die Reise wäre zu Ende, mein Motor macht seit Polen Klackergeräusche, so als würden die Ventile klappern. Wir haben sie eingestellt, aber das Geräusch ist noch immer da. Viele Vermutungen schwirren in unseren Köpfen herum, Pleuellagerschaden, Kolbenkipper. Svend Jörg vermutet Spiel im Kolbenbolzen. Aber das Motorrad hat es damit bis hierher geschafft. Halbzeit! Äquatortaufe in Usbekistan – weiter, weiter! Vermutlich ist ein R75-Gespann noch nie so weit nach Osten gefahren, und das in friedlichster Mission.
Der Pabst fährt mit
Lotti entdeckte in meinem Seitenwagen die Zigarrenkiste, die mir mein Bruder zur Abfahrt schenkte. Unglaublich, ich als Nichtraucher und sowieso ist alles voll mit Zigarillos, die wir vor der Abfahrt in Hamburg als „Geschenke“ für besondere Gelegenheiten von dem Sponsor mitbekommen hatten. Ich wollte die Kiste schon längst entsorgen, hatte dann aber ein schlechtes Gewissen. Durch die Vibration hatte sich die Kiste geöffnet und ich hatte mich sehr gefreut über die vielen Kleinigkeiten, die mir mein Bruder in die Kiste packte. Einschließlich eines Papstbildes und einer kleinen Flasche Schnaps – statt Zigarren. Die Kiste wird mich weiterhin begleiten, nur der Inhalt hat meine Gier nicht überlebt. Danke Dirk, das war eine tolle Überraschung nach 6000 km.
Insgesamt halten sich die Probleme mit der R75 in Grenzen, dank der langen Übersetzung von Hans Jürgen Moseder, die er speziell für die R75 herstellte, läuft der Motor mit weniger Umdrehungen und sehr ruhig und bullig. Das größte Problem war die Antriebsglocke, die den Kardan mit dem Hinterradantrieb verbindet. Der hatte gefressen und musste ausgetauscht werden. Das erledigten wir in Astrachan, wo wir einen freien Tag hatten. Dazu musste der Seitenwagen abgebaut werden und der Hinterradantrieb ausgebaut werden. Die Zähne der Antriebsglocke waren 2/3 abgefressen und wir waren gerade noch rechtzeitig mit dem Austausch. Die neue Glocke von Moseder kommt nun zum Einsatz. Sie ist besser gearbeitet als viele sich im Handel befindlichen Glocken. Dann wurde noch der Regler von der Lichtmaschine ausgetauscht und ich fuhr die letzten zwei Tage ohne Licht.
Frank und ich hatten 12 Stunden geschraubt. Frank macht seine Arbeit einfach gut und konzentriert. Dazu kommt noch, dass mir Thomas Schaar, mein Schrauber aus Hamburg, alle Ersatzteile gut sortiert mitgegeben hatte. Nix fehlt bis jetzt, super Thomas! Die fehlenden Ersatzteile wurden von Thomas in Hamburg besorgt und Andy noch kurz vor Abflug mitgegeben. Danke Frank, Danke Hans Jürgen, Danke Thomas, Danke Andy! Überhaupt Danke an die ganze Gruppe! Wenn ich manchmal fertig bin dann baut mich diese Gruppe wieder auf und Svend Jörg nimmt mich liebevoll in den Arm, und dann kommt Helga und vitalisiert mich ins Gleichgewicht. Das tut gut!