Die 5 heiligen Berge des Daoismus

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Die fünf heiligen Berge des Daoismus sind genau genommen keine Berge, sondern ganze Gebirgsketten. In China gehört die Verehrung von Bergen zu einer alten Tradition. Die heiligen Berge des Daoismus sind seit Jahrtausenden ein wichtiges Pilgerziel und ziehen auch heute noch zahlreiche Touristen an.

Gebirge und Berge (山 shān) gelten im Reich der Mitte seit jeher als heilige Orte, da sie dem Himmel sehr nah sind und den Chinesen zufolge dort die Kommunikation mit den Göttern möglich ist. Im Daoismus wurden diese Berge zu einem idealen Rückzugsort für Eremiten und Mönche, an dem diese Unsterblichkeit erlangen konnten. Der Daoismus 道家 („Lehre des Weges“) ist eine der frühen Hauptströmungen in der chinesischen Philosophie und entwickelte sich im 4. Jahrhundert v. Chr. Er ist eine der Denkrichtungen der berühmten Hundert philosophischen Schulen 諸子百家 (wörtlich: „Alle Meister und Hundert Schulen“), die während der späten Östlichen Zhou-Zeit (770-256 v. Chr.) entstanden sind.

Philosophischer und religiöser Daoismus

Der Daoismus kann auf eine über 2000-jährige Geschichte zurückblicken. Im Laufe der Zeit haben sich viele unterschiedliche Lehren und Unterformen herausgebildet. Einige Sinologen unterscheiden heute zwischen philosophischem und religiösem Daoismus – im religiösen Daoismus sehen sie den angewandten philosophischen Daoismus. In diesem strebt der religiöse Daoist danach, Erleuchtung zu erlangen und somit das Dao zu verwirklichen, indem er sich auf Meditation, Atemübungen oder Reinigungsrituale konzentriert. Andere daoistische Lehren sehen die Erlangung von (metaphysischer) Unsterblichkeit als das höchste religiöse Prinzip an.

Wichtige Daoisten

Einer der wichtigsten Vertreter des philosophischen Daoismus ist Laozi 老子. Vor der Han-Dynastie galt das gleichnamige Werk Laozi als wichtigste Schrift des Daoismus. Es ist auch unter dem Namen Daode jing 道德經 („Klassiker des Weges und der Tugendkraft“) bekannt. Das Werk richtet sich an einen Herrscher und beschreibt die Kunst des Regierens. Die Harmonie soll hier eher intuitiv, als durch bewusstes Handeln oder Willenskraft erreicht werden.

Ein weiteres bedeutendes Werk im philosophischen Daoismus ist das Zhuangzi 莊子. Insbesondere die sieben „inneren“ Kapitel des Textes, die dem Autor Zhuang Zhou 莊周 zugeschrieben werden, gelten in China als Meisterwerk der frühen Anekdotenliteratur. Die „inneren“ Kapitel enthalten die wesentlichen Ideen des philosophischen Daoismus, nachdem das Dao 道 das höchste, nicht fassbare Mysterium ist, welches für die Entstehung des gesamten Kosmos verantwortlich ist.

 

Daoistischer_Tempel-UL- Statue von Laozi

 

Schöpfungsmythos

Die fünf heiligen Berge des Daoismus stehen in der chinesischen Mythologie für den Kopf und die Gliedmaßen des ersten Lebewesens auf Erden – des „Ehrwürdigen Pangu“. Dieser spielt eine zentrale Rolle im chinesischen Schöpfungsmythos, in dem er sich selbst für die Entstehung der Welt opfert. Die fünf heiligen Berge des Daoismus, auch Wuyue 五岳 („Fünf Gipfel“) genannt, gelten in China als Orte der Macht und sind den vier Himmelsrichtungen, ergänzt durch die Mitte, zugeordnet. Damit verbunden war die Vorstellung der Wirkkräfte der Fünf Wandlungsphasen 五行 (wŭxíng) – Erde, Holz, Feuer, Metall und Wasser. Diese bringen alles Leben hervor und setzen es in Beziehung zueinander. Dieses Leben bezieht sich nicht nur auf das irdische Leben, sondern zugleich auf alle kosmischen Erscheinungsformen.

1. Tai Shan: Meistbestiegener Berg der Welt

Der Tai Shan 泰山 befindet sich im Westen der Provinz Shandong und ist mit seinen 1545 Metern zwar nicht der höchste, aber der älteste und mächtigste der fünf heiligen Berge des Daoismus. Einer alten Erzählung nach vermag der Große Östliche Gipfel zwischen Gut und Böse zu unterscheiden und kontrolliert die Lebensdauer aller Wesen. Bereits die Herrscher der Shang-Dynastie ließen hier Opferzeremonien für Himmel und Erde abhalten, weshalb der Tai Shan für viele Chinesen von hohem kulturellen Stellenwert ist.

Zu Fuß oder mit der Seilbahn

Der sogenannte Yuhuang-Gipfel 玉皇顶 („Jadekaiser-Gipfel“) des Tai Shan lässt sich auf zwei verschiedenen Wegen erreichen. Der erste führt über einen neun Kilometer langen Weg aus insgesamt 6293 Stufen. Der zweite Weg auf den Gipfel führt über eine Seilbahn. Dieser ist zwar nicht so mühselig, verwehrt jedoch die Erkundung der einmalig schönen Landschaft mit chinesischen Pavillons, antiken Toren und Torbögen sowie jahrhundertealten Tempelanlagen. Für die Wanderung zum Gipfel des Berges sollte man in etwa vier bis fünf Stunden einplanen.

 

010 Weg vom Haupttempel der Wolkenprinzessin Richtung Gipfeldorf - LG Weg beim Haupttempel der Wolkenprinzessin

 

Tempel auf dem Tai Shan

Auf dem Weg zum Gipfel gibt es immer wieder die Möglichkeit, sich mit Getränken oder kleinen Snacks zu versorgen. Am Gipfel des Berges angekommen, befindet sich der sehenswerte Yuhuang-Tempel („Jadekaiser-Tempel“) sowie einige Restaurants. Es gibt dort auch die Möglichkeit in einem Berghotel zu übernachten. Seit 1987 zählt der Tai Shan zum UNESCO-Weltkulturerbe und gilt als der am häufigsten bestiegene Berg der Welt.

2. Südlicher Heng Shan

Der Heng Shan 衡山, auch bekannt als Großer Südlicher Gipfel, liegt 100 Kilometer südlich der Provinzhauptstadt Changsha 长沙 im Süden der Provinz Hunan. Genau genommen ist der Heng Shan eine Gebirgskette, die sich über 150 km in Nord-Süd-Richtung erstreckt und insgesamt 72 Gipfel aufweist. Der höchste Gipfel ist der Zhurong-Gipfel mit einer Höhe von knapp 1300 Metern. Aufgrund der Monsunregen ist das Gebirge durchzogen von Reisterrassen, Bambusdickichten und dichten grünen Wäldern.

Größter Tempel Südchinas

Eine der Hauptattraktionen ist der Nanyue 南岳-Tempel am östlichen Rand des Heng-Gebirges im Kreis Hengshan der bezirksfreien Stadt Hengyang. Das Tempelgelände verteilt sich auf einer Fläche von knapp 100.000 Quadratmetern und ist der größte Tempel im südlichen Teil Chinas. Der Tempelkomplex mit seinen zahlreichen antiken Toren, Palästen, Tempeln und Pavillons besteht seit der Tang-Dynastie, wurde aber immer wieder von Bränden heimgesucht und zerstört. Während der Kulturrevolution erlitt die Anlage massive Schäden, konnte aber durch umfangreiche Renovierungsarbeiten in den 80er Jahren wieder hergestellt werden. In der Haupthalle der Tempelanlage befinden sich 72 Säulen, die für die 72 Gipfel der Gebirgskette stehen. Die Anlage umfasst weiterhin acht buddhistische und acht daoistische Tempel sowie konfuzianische Elemente. Seit 2006 steht der Nanyue-Tempel auf der Liste der Denkmäler der Volksrepublik China.

 

Monument of 18 Arhats in Nanyue Damiao temple, China Buddhistische Figuren beim Nanyue Tempel

 

3. Song Shan: Der Mittelberg

Der Song Shan 嵩山 befindet sich in der kreisfreien Stadt Dengfeng der Provinz Henan südlich des Gelben Flusses und gilt als Großer Mittlerer Gipfel der fünf Berge des Daoismus. Auch der Song Shan ist eine Gebirgskette, welche sich über 64 Kilometer zwischen der Provinzhauptstadt Zhengzhou und Luoyang, einer der vier großen alten Hauptstädte Chinas, erstreckt. Die höchste Erhebung der Gebirgskette liegt auf einer Höhe von 1500 Metern. Die Gipfel der Gebirgskette und ihre Umgebung halten einige daoistische sowie buddhistische Klöster und Tempelanlagen bereit, von denen der Zhongyue-Tempel 中岳庙 die bekannteste daoistische Tempelanlage bildet.

Bekannteste daoistische Tempelanlage

Der Zhongyue-Tempel befindet sich am Fuß des Berges Taishi des Song Shan und zählt seit 2010 als Teil der „Historischen Monumente von Dengfeng“ zum UNESCO-Weltkulturerbe. Er befindet sich in unmittelbarer Nähe der alten Hauptstadt Kaifeng der Song-Dynastie und seine Haupthalle stammt noch aus der frühen Qing-Dynastie. Die Tempelanlage erstreckt sich auf einer Fläche von 110.000 Quadratmetern und zählt mit über 400 Gebäuden zu der größten und am besten erhaltenen architektonischen Anlage der fünf heiligen Berge des Daoismus.

 

song shan berg Schroffe Felswände

 

Shaolin-Kloster am Fuße des Song Shans

Ebenfalls sehenswert ist das weltbekannte buddhistische Shaolin-Kloster 少林寺 mit seinem Pagodenwald am Fuß des Berges Shaoshi des Song Shan. Auch dieses ist Teil der „Historischen Monumente von Dengfeng“ und steht auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes. Berühmtheit erlangte die Anlage unter anderem durch den Film „Shaolin Temple“ aus dem Jahr 1982. Die chinesische Regierung ließ die während der Kulturrevolution zerstörte Tempelanlage wieder aufbauen und gestattet es den buddhistischen Mönchen seitdem wieder, dort zu praktizieren. Hier bietet sich Besuchern die Möglichkeit, sich die Kampfkünste in den berühmten Shaolin Kung Fu-Shows anzuschauen.

4. Hua Shan: Heiliger Westberg

Der Große Westliche Gipfel liegt in der Nähe der Stadt Huayin 华阴 im Süden der Provinz Shaanxi, ungefähr 120 Kilometer östlich von Xi´an. Der Hua Shan 华山 befindet sich am östlichen Ende der Qin-Gebirgskette 秦嶺, welche die natürliche Grenze zwischen Nord- und Südchina bildet. Von den fünf Hauptgipfeln des Huashan zählt der südliche Gipfel mit 2155 Metern sowohl zum höchsten, als auch zum gefährlichsten Gipfel des Gebirgsmassivs. Er beherbergt einen der gefährlichsten Wanderwege der Welt – die „Treppe zum Himmel“. Diese führt über schmale Bretter und in den Fels geschlagene Stufen in schwindelerregender Höhe an steilen Felswänden entlang.

Auf dem südlichen Gipfel des Hua Shan erwartet die Besucher ein daoistischer Tempel sowie ein fantastischer Blick auf die atemberaubend schöne Landschaft. Für nicht allzu Wagemutige stehen auch Seilbahnen zur Verfügung, welche die Besucher zu den verschiedenen Gipfeln bringen. Die Wanderwege, Hänge und Gipfel des Huashan sind von zahlreichen antiken Tempeln, Pagoden, Klöstern und weiteren religiösen Bauten gesäumt.

 

Hua Shan - Armin Oberkalmsteiner (FW2012) Liebesschlösser am Gipfel

 

Tempel auf dem Hua Shan

Darunter auch der Yuquan-Tempel 玉泉院 („Jadequell-Tempel“), der sich am nördlichen Zugang zum Tal des Huashan befindet. Für die meisten Touristen bildet dieser Tempel den Ausgangspunkt ihrer Wandertour. Der architektonische Stil der Tempelgebäude entspricht dem der klassischen chinesischen Gärten Südchinas. Die antiken Gebäude und Pavillons gruppieren sich um einen zentralen Teich in der Mitte der Anlage. Es heißt, Chen Tuan 陳摶, ein bekannter Daoist während der Nördlichen Song-Dynastie, habe sich einst hierher zurückgezogen. In der Haupthalle der Tempelanlage steht noch heute eine Statue von Chen Tuan. Ein weiterer sehenswerter Tempel im Hua Shan-Tal ist der Dongdao-Tempel 东道院 („Östlicher Dao-Tempel“) oder Jiutian-Palast 九天宮 („Palast der Neun Himmel“). Dieser Tempel steht in der Tradition des sogenannten Quanzhen-Daoismus 全真 („Vollkommene Wirklichkeit“), einer Schule des Daoismus, die sich aus Konfuzianismus, Buddhismus und Daoismus – den drei philosophischen Hauptströmungen Chinas zusammensetzt. Die Gebäude dieser Tempelanlage gehen auf die Qing-Dynastie zurück. Der Komplex zählt zu den 21 wichtigsten daoistischen Tempeln des chinesischen Staatsrates.

5. Nördlicher Heng Shan

Der Heng Shan 恒山 wird als Großer Nördlicher Gipfel bezeichnet und liegt im Nordosten der Provinz Shanxi. Er ist der kleinste und auch der am wenigsten besuchte Berg der fünf Berge des Daoismus, da er in der Vergangenheit häufig unter der Regierung nicht chinesischer Nationen stand. Der Xuanwu-Gipfel ist mit 2017 Metern der höchste des Gebirgsmassivs. Für eine Besteigung sollte man in etwa drei Stunden einplanen.

"Hängendes Kloster" am Heng Shan

Im Umkreis des Heng Shan finden sich mehrere interessante Sehenswürdigkeiten, von denen das Xuankong-Kloster 悬空寺, auch „Hängendes Kloster“, wohl das beeindruckendste ist. In ca. 70 Metern Höhe ist es, auf Balken stehend, an die steile Felswand gebaut. Die Felswand dient somit als Rückwand der Gebäude, die durch Brücken und Gänge miteinander verbunden sind. Es liegt in der Nähe vom Pass des Goldenen Drachen und ist bereits über 1500 Jahre alt. Die Klosteranlage wurde im 6. Jahrhundert während der Nördlichen Wei-Dynastie erbaut und umfasst insgesamt 40 kleinere Gebäude und Pavillons. Eine Besonderheit der Anlage besteht darin, dass sie sowohl konfuzianische, als auch buddhistische und daoistische Elemente in sich vereint. Das Kloster ist staatlich geschützt und steht seit 1982 auf der Liste der Denkmäler der Volksrepublik China.

 

H-Kloster080918LG (6) Hängendes Kloster

 

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