Meisterhaft gefertigte Puppen in kunstvollen Kostümen erzählen von den althergebrachten Legenden im Reich der Mitte. Mal verlieben sie sich, dann geht es in einem erbarmungslosen Kampf um Leben und Tod. Zu den Klängen von Oboe, Holzklapper und Co. lebt auf diese Weise ein jahrhundertealter Teil der chinesischen Kultur wieder auf! Lassen Sie sich in das chinesische Puppentheater entführen.
Die vier Formen des Puppentheaters
Im Laufe der Jahrhunderte haben sich aus der traditionellen chinesischen Oper verschiedene Arten von Puppentheater entwickelt. Die frühesten Formen umfassen das Marionetten- sowie das Stockpuppen-Theater. Den Höhepunkt erreichte das Puppentheater während der Song-Dynastie (960-1279), als es nicht nur bei Hofe oder auf privaten Anwesen, sondern auch an öffentlichen Orten, wie Märkten oder Tempeln, aufgeführt wurde. In diese Zeit lässt sich auch die Entstehung des chinesischen Schattentheaters datieren. Zur Zeit der Ming-Dynastie (1368-1644) schließlich hat sich das Handpuppen-Theater entwickelt, welches sich in Südchina und auf Taiwan noch immer sehr großer Beliebtheit erfreut.
Das Handpuppen-Theater
Das Handpuppen-Theater 布袋戲 (budai xi) hat seinen Ursprung im Süden der Provinz Fujian 福建 und ist weltweit eine der elegantesten Formen des Musiktheaters. Die Bezeichnung budai xi , wörtlich „Stoff-Sack-Theater“, beschreibt den zentralen Teil der Handpuppe. Dieser besteht aus einer Art Stoffsäckchen, in welches der Puppenspieler seine Hand steckt. In den handgefertigten Puppen werden sämtliche Handwerkskünste Chinas vereint. Während Kopf, Hände und Füße aus Holz geschnitzt und sorgfältig bemalt werden, bestehen der Körper und die Gliedmaßen aus edlen von Hand bestickten Stoffen. Die Puppen ähneln nicht nur in ihrem Aussehen den Schauspielern der chinesischen Opern, auch viele der Geschichten, Rollen und symbolischen Elemente sind für das Handpuppen-Theater übernommen worden.
Traditionell wird das Puppentheater auf einer kunstvoll gearbeiteten und reich verzierten hölzernen Bühne aufgeführt, hinter der sich die Puppenspieler verbergen. Der Arrangement ist ähnlich wie bei unserem Kaspertheater, jedoch weitaus komplexer. Gestik, Mimik, Kleidung und Farbgebung der Puppen kommt eine bedeutende Rolle zu. Die Puppenspieler manövrieren die Puppen meisterhaft über die Bühne, während sie gleichzeitig die Stimmen für mehrere Charaktere liefern. Das Puppentheater bietet neben Unterhaltung auch einen Einblick in die Religion, Kultur und Geschichte Chinas. Beliebte Stücke, die aus der Oper adaptiert wurden, sind beispielsweise „Die Geschichte der drei Reiche“, „Die Räuber vom Liangshan-Moor“ oder „Die weiße Schlange“. Das gesamte Theaterstück wird von einem kleinen Orchester begleitet. Während die Bambusflöte, die Zither oder die chinesische Oboe die Melodieführung übernehmen, sorgen Gong, Trommeln, Holzklappern und Zimbeln für die spannungsreichen Momente und geben den Takt vor.
Fujian – Wiege des Handpuppen-Theaters
Wer eine Theateraufführung besuchen möchte, sollte sich an die Provinz Fujian halten, die an der Ostküste im Süden Chinas liegt. Die Städte Zhangzhou 漳州 und Quanzhou 泉州 im Süden der Provinz Fujian haben eine sehr lange Tradition im chinesischen Handpuppen-Theater. Das Mu'ou Museum 木偶博物馆 („Holzpuppen-Museum“) in Quanzhou bietet neben einem Überblick zur Geschichte des Puppentheaters auch Theateraufführungen an. In der Stadt Zhangzhou gibt es zudem eine Puppengalerie, die verschiedene Arten von Puppen und Zubehör ausstellt und verkauft. Die Zhangzhou Mu'ou Theatertruppe 漳州木偶剧团 bietet ebenfalls regelmäßige Aufführungen des chinesischen Handpuppen-Theaters an.
Nicht nur das Puppentheater ist ein Grund für den Besuch der Küstenprovinz Fujian. Die Provinz ist vor allem bekannt für ihre wunderschöne subtropische Küstenlandschaft, die ausgedehnten Gebirge im Westen der Provinz sowie ihre weitläufigen Teeplantagen. Viele der Küstenstädte, wie etwa Fuzhou 福州 oder Xiamen 厦门, sind kulturell äußerst interessant und vielfältig. Sie gehörten einst zu bedeutenden Hafenstädten entlang der maritimen Seidenstraße.
Traditionelle Rundhäuser der Hakka
Zu den wohl bekanntesten Attraktionen der Provinz Fujian gehören allerdings die traditionellen Rundhäuser der Hakka. Die Hakka gehören zu der Volksgruppe der Han-Chinesen, haben aber ihre eigene Sprache und ihre eigene Architektur entwickelt. Die großen, meist runden Tulou 土楼 („Erdgebäude“) haben dicke Außenmauern aus Lehm und umfassen häufig mehrere Stockwerke, in denen bis zu 800 Personen Platz finden. Die Häuser verfügen in den Außenwänden nur über wenige Fenster sowie eine einzige Tür und dienten ursprünglich zum Schutz vor Eindringlingen und wilden Tieren. Die Tulou öffnen sich zu einem großen Innenhof, in dessen Mitte sich eine Ahnenhalle befindet, in der nach konfuzianischer Tradition den Verstorbenen gedacht wird. Ein Großteil der Erdgebäude befindet sich im Stadtbezirks Yongding 永定 der Stadt Longyan 龙岩 im Süden von Fujian. Die meisten dieser einzigartigen Bauten gehören seit dem Jahr 2008 zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Garten Eden in China: Das Wuyi-Gebirge
Ein weiteres Highlight in Fujian ist das malerische Wuyi-Gebirge 武夷山. Es erstreckt sich im Nordwesten Fujians an der Grenze zu der Provinz Jiangxi auf einer Länge von 500 Kilometern. Das immergrüne Gebirge ist bekannt für seine atemberaubenden Landschaften sowie seine reiche Tier- und Pflanzenwelt. Der Höhepunkt des Ausflugs in das Gebirge ist eine Floßfahrt auf dem „Fluss der neun Windungen“. Der kurvenreiche Fluss führt durch eine Schlucht, an dessen Seiten sich dicht bewaldete bizarre Felsformationen auftürmen. Seit 1999 steht das Wuyi-Gebirge auf der Liste des UNESCO-Weltnaturerbes.
Die Bergwelt gehört außerdem zu den wichtigsten Anbaugebieten für Tee in ganz China und ist insbesondere für seinen halbfermentierten Wulong-Tee 乌龙茶 berühmt. Bei einem Spaziergang durch die weitläufigen Teeplantagen im Wuyi-Gebirge kann man den Tag ganz in Ruhe ausklingen lassen.